Zwei

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„Diese Schweine", knurrte Anton.

Er starte das gewaltige Vanadium-Stahltor, den Zugang zu der Bunkeranlage unter dem Alexanderplatz, an, so als könne er das geschlossene Portal mit der Kraft seines Willens aufzwingen.

Seine Hände zitterten. „Diese verdammten Schweine!"

Rote Warnleuchten tauchten das über drei Meter hohe Stahltor in Blut und verwandelten die Gesichter der Flüchtlinge in gepeinigte Fratzen. Ein gesplitterter Videobildschirm über dem Tor verkündete eine rollende, sich ständig wiederholende Nachricht, „Überfüllt – Bitte begeben sie sich schnellstmöglich zum nächstgelegenen Schutzraum."

Verzweifelte Flüchtlinge hämmerten in ohnmächtiger Wut gegen das Stahltor, bis ihre Fäuste blutig waren, andere brachen zusammen, wo sie standen und Tränen strömten über ihre Gesichter. Viele mehr stierten mit leeren Augen den Video-Bildschirm an, das wenige Hab und Gut das sie mitgebracht hatten schützend an die Brust gepresst.

Die meisten zogen jedoch weiter, ein Fluss aus Verdammten, der sich spaltete um in verschiedene Richtungen zu mäandern. Keiner sah so aus, als glaube er dem Ende jetzt noch entkommen zu können. Freya lächelte, während Tränen ihre Wangen herunterrollten.

Es ist bald vorbei, dachte sie. Bald vorbei ...

„Fuuuck!" schrie Anton.

Sein wutentbrannter Schrei ließ sie zusammenfahren. Er fing sich jedoch schnell wieder und zog sie fluchend hinter sich her – nur um im Kreise zu gehen. Sein Blick war der eines gehetzten Tieres, huschte hin und her, als er sich marterte einen Ausweg aus ihrer Situation zu finden. Freya lächelte ihm beruhigend zu, hob die Hand, um über seinen Arm zu streicheln, als er plötzlich verharrte.

Er nickte so als wolle er einen Gedanken bekräftigen und sagte, „Die U-Bahn ..."

Er schickte sich an weiterzugehen, doch Freya blieb wie angewurzelt stehen. Anton starrte sie fragend an.

Furcht schnürte ihr die Kehle zu und sie brauchte einen Moment, um ihre Gedanken zu artikulieren. „Nein", sagte sie schließlich, ihre Stimme schwach, jedoch bestimmt. „Nicht die U-Bahn. Lass uns nach Hause gehen."

„Und was sollen wir da?" fuhr Anton sie an, beruhigte sich jedoch schnell, als Freya vor ihm zurückzuckte. Er sprach beschwörend auf sie ein. „Der Schutzkeller in unserem Haus ist voll. So wie die Keller eines jeden anderen Hauses auch ..." Er lächelte gezwungen, „Die U-Bahn Tunnel sind—"

„Nein!" schrie Freya und riss sich mit einer Drehung ihres Handgelenkes los. Sie machte einen Schritt nach hinten, die blauen Augen weit aufgerissen. „Wir gehen nach Hause! Ich sterbe lieber, als mich der Gnade dieser Monster auszuliefern!"

„Schatz", flehte Anton und machte einen zögerlichen Schritt auf sie zu. „Nicht jeder der Veränderten—"

„Nein!"schrie Freya, drehte sich um und rannte.

GötterdämmerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt