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"I-Ich weiß es nicht...es ist einfach so passiert und ich hab keine Ahnung was in mich gefahren ist.", er schaut mich traurig an, "Ich habs für dich getan."

Ich weiß nicht was ich sagen soll.
Ich schaue ihn einfach nur an.

"Weißt du, für mich ist es auch nicht gerade leicht, diese Frage zu beantworten, ich meine wenn Shane ausrasstet machen sich die anderen Sorgen um ihn und wollen ihm helfen. Aber wenn ich einmal was schlimmes mache, dann starren mich alle so...so niederträchtig an und wollen, dass ich das bereue, dass ich mich entschuldige und mein Verhalten verantworte. Ich meine, Shane ist genauso alt wie ich, wieso wird er denn von allen nur so einsichtig behandelt. J-Ja klar auch weil er so depressiv ist und so weiter. Ich kanns aber einfach nicht mehr hören, dieses 'aber er ritzt sich doch', 'unterstützt ihn, er ist depressiv' und 'wir müssen für ihn da sein, er hatte es so schwer'. Das macht mich fertig. Ich hatte es auch nicht gerade leicht mit ihm. Waru-"

Ich ziehe ihn zu mich und drücke meine Lippen auf seine.

"Du musst dich nicht mehr rechtfertigen. Ich kann dich jetzt verstehen.", ich lächel ihn an.

"Danke.", er atmet erleichtert aus.

Ich lächle.

"Wollen wir dann?", ich stehe auf.

"Klar.", er grinst und steht auch auf.

Shanes P.O.V

Ich öffne das kleine Tor zum Friedhof.
Dann gehe ich zum Grab meiner Mutter.
Es ist niemand hier, niemals. Alle sind auf der anderen Seite des Friedhofs. Nie hier.
Ich lege die Blumen auf den Grabstein und lege die alten zur Seite. Dann zünde ich die drei Kerzen an, die neben dem Grabstein stehen.

Wir hatten nicht genug Geld für ein großes, schönes Grab, deswegen haben wir nur einen Grabstein gekauft. Deswegen sind wir auf der Seite des Freidhofs.
Mein Vater und ich.
Bald. Bald werde ich einen Grabstein für meinen Vater kaufen. Er wird genau neben dem von Mama sein.

Ich krame einen Zettel aus meiner Tasche.

Shane
Ich weiß, dass du traurig bist, weil du diese Woche bei Omi und Opi schlafen musst, aber wir kommen bald wieder.
Wir Telefonieren jeden Tag.
Die Woche wird schnell umgehen.
Omi und Opi geben dir jeden Tag Geld für Süßigkeiten, du wirst gut versorgt sein mein kleiner Engel.
Wir lieben dich
Mami und Papi

Das war das letzte, was sie mir hinterlassen hat.
Meine Tränen tropfen auf den Zettel, sodass ich ihn schnell wieder zusammen Falte und einstecke.

Ich wische mir die Tränen weg.

Egal was passiert, bleib stark.

Die Worte meines Vaters hielten mich schon oft am Leben.

Ein Windzug lässt mich tief einatmen.

Ich stehe auf und nehme die verwelkten Blumen in die Hand.

Ich verabschiede mich von meiner Mutter und gehe.

Auf dem Weg schmeiße ich noch die Blumen weg.

Und wieder zurück in mein beschissenes Leben.

Nach knapp 10 Minuten bin ich wieder 'Zuhause'.
Der Friedhof ist nicht weit weg von uns.

Ich öffne die Tür und laufe stumm auf mein Zimmer zu.

"NA DU KLEINER SCHEIßER", aufeinmal drückt mich Walter mit dem Unterarm an meinem Hals gegen die Wand.

"WO WARST DU HM? WIEDER BEIM GRAB DEINER MUTTER? SIE IST TOT! VERSTEHST DU DAS NICHT, SIE KOMMT NICHT ZURÜCK, GENAUSO WENIG WIE DEIN VATER!", er schreit mir direkt mit seiner Alkohol Fahne ins Gesicht.

"HIER, DAS KANNST DU AUCH WEGWERFEN, DAS IST MÜLL!", er holt den Brief aus meiner Tasche und fuchtelt damit vor meiner Nase herum.

"GIB DAS HER, DAS GEHÖRT MIR!", ich trete ihm in die Eier, sodass er mich daraufhin loslässt.

"DU KLEINER HURENSOHN, HIER HAST DU DEIN SCHEIß ZETTEL!", er zerreißt den Zettel und packt mich wieder am Kragen.

"WIE KANNST DU ES WAGEN, MICH ZU TRETEN?", er holt aus und schlägt mir mit seiner Faust direkt ins Gesicht.

Dann lässt er mich los und ich falle zu Boden.

"Beim Nächsten Mal wirst du nicht so leicht davonkommen.", er grinst böse und verschwindet in der Küche.

Ich halte mir meine Nase und sammel die Reste des Briefes auf.

"Shane, was ist denn passiert?", Cameron legt ihre Einkaufstüten ab, kommt auf mich zugelaufen und schaut mich besorgt an.

Ich schaue zu Walter, der in der Küchentür steht. Dann stecke ich unauffällig die Schnipsel in meine Hosentasche.

"Skateboard Unfall.", ich starre zu Walter, der zufrieden lächelt und dann sein Bier trinkt.

"Ach Mensch, pass doch besser auf, lass mich mal sehen.", Cameron kniet sich zu mir runter.

"Du bist echt ein Tollpatsch, ich habe da noch ne Salbe-"

"-Nicht nötig.", ich stehe auf und laufe auf mein Zimmer.

Dort lege ich alle Schnipsel wieder zu einem Brief zusammen. Er hat sie zum Glück nur Grob zerrissen.

Ich klebe sie mit Tesa zusammen und bin etwas erleichtert, als ich merke, dass man ihn noch Gut lesen kann.

Dann erst hole ich mir ein paar Taschentücher und wische mir das Blut weg.

Irgendwann werde ich ihm das alles Heimzahlen.

Und dieser Tag wird bald kommen.






The guy next door Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt