»𝐖𝐚𝐬 𝐢𝐬𝐭 𝐝𝐚𝐬 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧, 𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐞𝐬 𝐳𝐞𝐫𝐫𝐢𝐧𝐧𝐭 𝐰𝐢𝐞 𝐒𝐚𝐧𝐝?«
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Melody rennt.
Vor ihren Feinden. Vor ihren Träumen. Vor sich selbst.
In einer zerfallenen Welt, die keine Erinnerungen erlaubt...
Sie schlug die Augen auf. Blasses Licht tauchte die Mauern vor ihr in schaurige Riesen, die immer näher zu kommen schienen. Sie schnappte nach Atem, doch ihre Brust war gefesselt von glitschigen Ranken, die sie fest umfingen wie mordlustige Schlangen. Dampfwolken entflohen ihrem Mund, als sie panisch nach Luft rang. Auch die Wände vor ihr waren überwuchert von den riesigen Tentakeln, die ihre Arme in jede Ecke ausbreiteten.
Ein metallischer Knall auf Stein hallte durch die dunkle Gasse. Dann ein zweiter. Ein dritter. Immer näher. Immer schneller. Ihre Atmung erfror für ein paar Sekunden. Dann begann sie hastig an den Pflanzen zu zerren, die sie in der Höhe hielten. Die finstere Welt war auf den Boden gestellt und der rissige Boden war ihr einziger Himmel. Doch es blieb keine Zeit, diese Tatsache weiterhin zu würdigen.
Hektisch riss sie an den Schlingen, zerrte sie auseinander, aber rutschte immer wieder ab. Wie ein Tier im Netz wandte sie sich umher, bis sie noch verschlungener war als davor. Ihr Herz donnerte in ihrer Brust, drohte zu zerschellen. Das Knallen war nun so nah, dass sie es in ihren Knochen spürte. Ächzend strampelte sie sich ein Stück weit frei und kratzte an den Ranken, bis sie sich in ihre Fasern aufzulösen begannen.
Auf einmal wurde es still. Mit weit aufgerissenen Augen hielt sie die Luft an. Plötzlich sprang eine schleimige Fratze mit riesigem Maul vor sie und gab ein markerschütterndes Schreien von sich. Seine Beine stießen in das Gemäuer neben ihr und ließen es erbeben. Ein helles Kreischen entwich ihrer Kehle. Sie löste den letzten Faden und prallte hart auf den felsigen Boden. Jeglicher Sauerstoff wurde aus ihrer Lunge gepresst und sie blieb bewegungsunfähig liegen.
Doch der haarige Körper wendete sich und platzierte seine sechs metallenen Stelzen neu. Ein Adrenalinstoß durchfuhr ihren Körper und gab ihr neue Kraft. Mit Schnappatmung kroch sie nach hinten, wirbelte herum und sprintete los. Ihre Muskeln brannten. Aber sie stieß sich immer schneller vom Untergrund ab und raste durch die engen Gassen des Labyrinths. Die schallenden Töne hinter ihr verrieten ihren Verfolger.
Sie schlug einen Haken und geriet ins Straucheln. Ihre Beine rutschten weg und sie schlitterte über den kalten Boden. Leicht knallte sie gegen die Wand und blieb unter dem Kleid der Ranken liegen. Ihre einstigen Feinde waren nun ihre letzte Rettung. Sie gab keinen Laut von sich, als das Klacken langsam an ihr vorüberzog.
Leise ließ sie die angehaltene Luft entweichen, als das Wesen weg war. Genau in diesem Moment rief eine helle Jungenstimme um Hilfe. Erkenntnis überschwemmte sie.
„Stephen", flüsterte sie in die Dunkelheit.
Dann, ohne zu zögern, bewegte sie sich erst auf allen Vieren und dann aufrecht der Stimme entgegen. Ihre Beine flogen über die Steinplatten.
„Hilfe!"
Das Rufen war nicht fern. Ihr Blick war fest nach vorne gerichtet, damit sie nicht stolperte. Beim Laufen schürfte sie ihre nackten Füße auf, doch nichts konnte sie stoppen.
Aus dem Nichts tauchte vor ihr ein schleimiges Wesen aus einer Seitengasse auf, weshalb sie abrupt stehen blieb. Es riss sein Maul auf und gab ein markerschütterndes Brüllen von sich. Ihr Herz pochte laut. Sie machte ein paar Schritte zurück.
„Geh weg!" Ihre hohe Stimme verirrte sich in der Weite des Labyrinths. Aber das Monster rammte seine Stelzen in den Boden, um blitzschnell auf sie zuzukommen.
Mit einem Quieken drehte sie sich um. Ihre Beine trugen sie fort von der Stimme, fort von Stephen. Sie kam ein weiteres Mal zum Stehen. Ihre Atemzüge waren abgehackt. Ihre Kehle wie zugeschnürt. Ein anderes Stelzenmonster preschte auf sie zu.
Panisch wandte sie ihren Kopf hin und her. Es gab kein Entkommen. Von beiden Seiten stürmten die Wesen auf sie zu.
Ihr lauter Schrei verhallte in der menschenleeren Finsternis.
***
Kreischend krallte sie die Finger in ihr Haar. Ihr Kopf schmerzte. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Ihre Atmung flatterte. Langsam ließ sich sich gegen die weiße Wand sinken. Ihr kleiner Körper wurde durchschüttelt von Schluchzern.
Sie hob ihren Kopf und sah schemenhaft das metallische Gestell des weißen Bettes. Als sie sich nach links wandte, erstarrte sie. Hinter einer Scheibe aus Glas standen zwei Personen. Eine große Frau mit einem weißen Rock und einem vornehmen Oberteil. An ihrer Seite ein schlichter Junge mit dunkelblondem Haar. Zitternd stand er mit großen Augen da.
Mit harten Gesichtszügen blickte die Frau mit dem weißen Dutt auf den Jungen. Streckte die Hand aus.
„Komm. Ihr ist nicht mehr zu helfen." Er ergriff die Hand.
Hektisch kroch sie zum Fenster. Doch sie gingen. Er wandte ihr den Rücken zu. Bebend presste sie ihre kleine Hand an das Glas. Er blickte zurück und seine braunen Augen trafen sie in einem Sekundenbruchteil.
„Dreh dich nicht um." Er gehorchte.
„Sie ist ein Monster." Wie ein Echo setze sich das Wort in ihrem jungen Verstand fest. Monster. Monster. Monster.
Eine Welle löste sich aus ihrer Brust: „Nein!" Sie schrie aus Leibeskräften, bis ihre Stimme brach. Doch sie waren alle fort. Alle hatten sie verlassen.
Der nächste Schrei war nicht mehr das eines Kindes. Es war der eines einsamen Tieres.
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