Kapitel 9

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Patsch! „Aua", nuschelte ich viel zu müde in mich hinein, verziehe mein Gesicht. Reibend wird der Schmerz auf meiner Wange bezwungen. Der viel zu große, viel zu stabile, verdammt nochmal viel zu biegsame Ast wird von mir kurzerhand abgesäbelt. In die düstere Nacht geworfen. „Verflucht nochmal King!" brülle ich den zwei gelbstechenden Augen entgegen, die es sich auf einen schwindelerregend hohen Baum gemütlich gemacht haben. Und die auf jeden Zentimeter den ich erklimme, zwei weiter nach oben wandern. „Nur zu", grinse ich teuflisch „Auf langer Frist werd ich gewinnen!" Frustriert puste ich eine Strähne aus meinem Sichtfeld ... langsam verlier ich wirklich den Verstand.

Mein Blick gleitet über die Baumkronen. Erspähe im zarten rotorangen Morgenlicht die Häuser am Rand des Hafens. Bei einigen hatte mittlerweile die Morgenroutine begonnen. Die ersten Sonnenstrahlen glitzerten auf dem Meerwasser. Fischer machten ihren Kutter bereit. Aber viele kuschelten sich noch an ihre wollig weiche Bettdecke. Und was tat ich? Ich befand mich 20 Meter hängend in einem Baum, der viel zu dicht bewachsen war und jagte einem dämlichen Kater hinterher. Die Suche nach Ablenkung wird jetzt fast schon zwanghaft.

Aber an Schlaf war nicht zu denken. Honigsüßer, energiebringender, erinnerungsschmerzender, seelenmalträtierender Schlaf. Ich hatte es probiert. Hatte mich ins Bett geworfen, nachdem mir Ace diesen irrwitzigen Vorschlag unterbreitet hatte. Ich? Ein Teil seiner Piratencrew? Selbst jetzt musste ich noch schmunzeln. Tatsächlich hat mich der Gedanke daran kurzzeitig glauben lassen, es wäre Ablenkung genug. Doch obwohl mich mein Körper, mein Geist nach Erholung anflehten. Fielen die nächtlichen Schatten über meinen Verstand her. Zerrte jede Angst, jede ungern gesehene Fratze aus ihren Zellen. Bohrten sich ihren Weg durch meinen, nach Ruhe verlangenden, Organismus. Altes Leid. Neues Leid. Beantwortete Fragen, die nach Revidierung schluchzen. Unbeantwortete Fragen, die nach Antworten plagten. Lösungen die akut gesucht, aber ums Nägel beißen nicht gefunden wurden.

Das Treten und Jammern und Wälzen und Flehen. Das Links und Rechts und Auf und Ab. All die trügerischen Irrgärten, und doch jedes Ende dasselbe. Also entschloss ich kurzerhand, dass Schlaf für Erholung nicht zwingend notwendig war, und es viel effektiver wäre in der Wildnis nach einem sturen Haustier zu jagen. Fauchen ertönt einen Meter über mir. Oh ja, unglaublich erholsam. „Komm schon King, ich bin mir sicha, du findest es hier oben genauso scheiße wie ich." Obwohl die Aussicht, die kann sich sehen lassen. Ich strecke meinen linken Arm aus, versuche irgendwas zu erhaschen, eine Pfote, ein Ohr, der Schwanz. Ganz egal, und ich könnte uns zu meinem Kunai, welches in der Wurzel des Baumes steckte, teleportieren. Aber dieser verlotterte schwarze Kater mit der weißen Krone über den Augen, weigert sich vehement auch nur einen Zentimeter in meine Nähe zu kommen.

Ein Stück noch, und ...daneben. Verflucht King. „Weißt du eigentlich wie lange ich die Insel abgesucht hab? Weißt du, wie viel Katzen es auf dieser verdammten Insel gibt? 53! Das weiß ich so genau, weil ich mit meinen Kanchis jede einzelne erspürt habe, bis ich endlich dich fand." Das Foto in Kaede's Bar war auch recht nützlich. „Also, wenn du denkst du hättest von uns beiden das größere Durchhaltevermögen", ein weiteres Schnappen, endet im Gestrüpp „Dann hast du dich geschnitten!"  

Noch ein kleines Stück. Die letzten Millimeter überwand ich mit einem riskanten Sprung. Und... „Hab dich!" Ein Hundertstel später stand ich wieder neben meinem Kunai auf festen Boden. Kings zappelnder und um sich peitschender Körper fest an mich gedrückt. Eine ausgefahrene Kralle hier, ein scharfer, stechender Schmerz da. Ja das war sie; die süße Ablenkung.

Viele Kratz- und Bisswunden später, stand ich wieder vor dem Haus, in dem ich in einer normalen Welt, noch im Bett liegen würde. In einer Welt in der ich nicht das war was ich nun mal war. Ein markerschütterndes Fauchen und Maunzen, riss mich aus meinen Gedanken, lies mich wieder auf den zappelnden Kater in meinen Armen fokussieren. „So wie du dich aufführst könnte man echt meinen, ich bring dich vors Schafott."

Das inoffizielle erste Mitglied der Spade-PiratenWhere stories live. Discover now