12. Kapitel

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Spät am Abend kamen wir an unserem Ferienhaus an. Deacon bestand noch darauf, dass wir gemeinsam etwas Essen gehen sollten. Eine, für mich, sehr unangenehme Situation. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich noch nie mit einer Person zusammen Essen gegangen. Einige Male bei verschiedenen Fastfood Restaurants, aber noch nie in einem richtigen, schicken Restaurant, wo man eine Speisekarte bekam. Dieses erste Mal hätte ich eher mit Kayla geteilt, aber meistens kommt es anders, als man denkt. In meinem Leben sowieso.
„Endlich seid ihr wieder da. Was ist denn passiert?", Kayla kam auf mich zu gerannt und nahm mich in den Arm. Man konnte spüren, dass sie es bereute mich geschubst zu haben.
„Ich bin wohl so blöd aufgekommen, dass ein paar Adern unter meiner Kniescheibe geplatzt sind", lachte ich verlegen. Wenn man es aussprach, klang es viel zu lustig. Für Andere musste es sich so anhören, als wäre ich zu dumm zum Leben und leider war genau das der Fall. Es wäre alles halb so schlimm, wenn ich wenigstens Last auf mein Knie legen könnte, aber gar nichts funktionierte. Selbst zum Abstützen bei einem Sturz, musste etwas passieren.
„Das tut mir so leid", flüsterte sie mir ins Ohr: „Soll ich dich nach oben tragen?"
Lachend winkte ich ab und löste mich von meiner besten Freundin. Sie konnte mich auf keinem Fall die Treppen hinauftragen. Mich verwunderte es, dass es Deacon geschafft hatte. Immerhin war ich nicht die leichteste. Schon während meiner Ausbildung, machte mich dieser Fakt zum Außenseiter. Meist stand ich neben all den schlanken Models und fühlte mich unwohl. Ab einem gewissen Punkt wollte ich mich nicht mehr vorzeigen.
„Wollen wir das nicht lieber so machen, dass Mira mit bei mir unten im Zimmer schläft? Dann muss sie sich nicht so anstrengen. Und Treppen laufen sollte sie erst recht nicht", schlug Deacon vor. Total überrascht sahen Kayla und ich uns an. Was sollte das jetzt? Die Trennung zwischen Pia und ihm würde so nur auffallen. Wollte er es tatsächlich riskieren und was würde Pia generell von der Idee halten mit mir Zimmer zu tauschen?
„Frag mal lieber Pia. Ich würde es jedenfalls nicht prickelnd finde, wenn ein anderes Mädel bei meinem Freund schlafen würde", gab Kayla zu bedenken und ich nickte. Ungern wollte ich die gesamte Zeit mit Deacon in einem Zimmer verbringen. Außerdem hatten Kayla und ich noch einiges zu bereden. Natürlich musste ich ihr von der Trennung erzählen, da sich so unser Plan in Luft auflöste. Wir mussten uns keine Mühe mehr machen etwas zu erfragen.
„Pia hat damit kein Problem, aber wenn ihr wollt, frage ich sie", sofort machte er sich auf die Suche nach seiner Exfreundin. Kayla und ich waren allein und blickten uns an.
„Die beiden sind getrennt", flüsterte ich ihr schnell zu.
„Was?!", fragte sie viel zu laut und hielt im nächsten Moment ihre Hand vor den Mund.
„Ja, das hatte er mir erst gesagt. Aber keine Ahnung, warum ich auf einmal bei ihm schlafen soll. Ich will das gar nicht", sagte ich verzweifelt. Unter keinen Umständen wollte ich mit diesem Mann ein Bett teilen. Das wäre alles zu viel für mich. Zwar fühlte ich mich zu ihm hingezogen, aber genau jetzt brauchte ich Zeit für mich. Meine Gedanken mussten verarbeitet werde, damit ich mir ganz sicher sein konnte und erst wenn ich sicher war, konnte ich Deacon Teil haben lassen. Bis dahin würde es aber eine ganze Weile dauern.
„Pia hat kein Problem damit, wie ich gesagt hatte. Dann bringe ich mal deine Sachen runter und du kannst dich schonmal ins Bett legen", überfordert sah ich Deacon an. Hätte Pia nicht einmal so tun können, als wäre sie eine eifersüchtige Freundin? Natürlich nicht.
„Oh... ehm... Ich bin ehrlich gesagt noch gar nicht müde und würde lieber noch etwas draußen sitzen", gab ich verlegen zu. Seinen Wunsch abschlagen konnte ich dennoch nicht. Auch, wenn es mich an meine Grenzen bringen würde, würde ich alles dafür tun, damit dieser Mann glücklich ist und wenn es ihn glücklich machte, dass ich bei ihm im Bett mitschlief, dann sollte es wohl so sein.
Eine Nacht würde ich überstehen und ab morgen, würde mein Knie wieder so beweglich sein, dass ich die Treppen hochkommen würde. Dachte ich.
„Na klar. Die anderen sitzen auch alle draußen. Ich komme gleich nach, nachdem ich deine Sachen in unser Zimmer gebracht habe", lächelte er mich an und machte sich direkt auf den Weg in mein altes Zimmer.
Komplett überfordert, bleib ich im Flur des riesigen Ferienhauses stehen. Nicht fähig, irgendeine Bewegung auszuführen. In diesem Moment hätte man mich angreifen können und ich hätte mich nicht gewehrt. Kayla versuchte mich mit schnipsen oder wackeln zurück in die Realität zu holen, aber nichts funktionierte. Meine Muskeln reagierten nicht.
„Na los Mira. Lass uns nach draußen gehen. Dort kannst du dich bestimmt ablenken, bis es dann ins Bett geht", zwar versuchte mich Kayla zu beruhigen, aber mit ihrem letzten Satz löste sie nur noch mehr Panik in mir aus. Ich würde neben Deacon im Bett schlafen. Ganz nah aneinander. Was ist, wenn er mich überredet mit ihm zu schlafen? Würde ich ihm diesen Wunsch abschlagen können? Wenn ich vor ihm schlafen würde, könnte er mich nicht fragen.
„Ich sollte doch jetzt schon ins Bett gehen und probieren zu schlafen", brachte ich hervor und sah mit aufgerissenen Augen meine beste Freundin an.
„Erstmal solltest du tief durch Atmen. Möchtest du etwas Reis haben?", fragte sie mich beiläufig. Das passte nun nicht zu dem Thema, was mich in diesem Moment beschäftigte.
„Reis? Was ist denn jetzt mit Reis?", fragte ich sie verwirrt.
„Nicht, aber jetzt atmest du wenigstens langsamer und bekommst keine Panikattacke. Komm ich schaffe dich ins Bett und dann legst du dich schlafen. Das war bestimmt der anstrengendste Tag deines Lebens", unrecht hatte sie damit nicht. Innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden war ich mit einem Flugzeug geflogen, hatte mehrere Stunden in einem Krankenhaus verbracht, musste herausfinden, dass es toller Kerl wieder Single war und ich bekam, gesagt, dass ich mit diesem Mann in einem Bett schlafen sollte.
Erst als ich im Bett lag, bekam ich zu spüren, wie müde ich war. Kaum hatte ich mich zu gedeckt, war ich schon in meinen Träumen versunken. Ich bekam nicht einmal mit, wie Deacon meine Tasche hereinbrachte oder gar, wie er sich später neben mich legte.
Am nächsten Morgen, wachte ich verschlafen auf. Die Sonne schien mir auf mein Gesicht, weswegen ich meine Augen direkt nach dem Öffnen wieder schließen musste. Für meine sensiblen Augen war es viel zu hell.
„Guten Morgen", eine tiefe Stimme brachte mich in die Realität. Die Nacht hatte ich tatsächlich mit Deacon in einem Bett verbracht. Es war zwar nicht das erste Mal, aber dennoch fühlte es sich merkwürdig an. Merkwürdig schön.
„Morgen", brummelte ich und rieb mir über meine Augen. Mein Knie begann zu schmerzen.
„Alles klar?", fragte mich Deacon besorgt als er mein schmerzverzerrtes Gesicht ansah.
„Mein Knie tut nur so doll weh", seufzte ich und sah zu diesem runter. Aufgrund dessen, wie mein Knie lag, musste ich mich nicht wundern, dass es schmerzte. Schnell streckte ich es aus und stopfte mein Kissen darunter.
„Soll ich dir eine Schmerztablette holen", er setzte sich auf und strich über meinen Oberschenkel. Diese Berührung reichte, um mir eine Gänsehaut zu verpassen. Natürlich bekam er es mit, weswegen er nur weiter strich. Ihm schien es genauso zu gefallen, wie ich. Er konnte von meinem Oberschenkel nicht wegsehen, so sehr faszinierte ihn meine Reaktion auf seine Berührung.
„Alles... alles gut", stotterte ich benommen und folgte mit meinen Augen die Bewegung seiner Hand. Berührungen konnten so schön sein, aber nur, wenn sie von diesem einen ganz bestimmten Menschen stammten.
„Du zitterst ja total. Sicher, dass ich dir nichts holen soll", seine Besorgnis schwang um zu einer Belustigung. Erst, als er mich darauf aufmerksam machte, fiel mir auf, dass ich tatsächlich zitterte. Ein eindeutiges Zeichen das Zimmer zu verlassen.
„Ich geh mal eben auf Toilette und sollte dann mal Frühstück machen. So als Entschädigung zu gestern", schnell stand ich auf und nahm die Krücken an mich. Mithilfe diesen machte ich mich auf den Weg ins angrenzende Bad, als ich die Tür hinter mir schloss, konnte ich noch ein leichtes Lachen vernehmen.
Stark errötete betrachtete ich mein Spiegelbild. Warum musste er mich so um den Verstand bringen. Eine Sekunde mehr und ich hätte ihm meinen gesamten Körper zur Verfügung gestellt. Mein Bauch kribbelte aufgeregt. Bevor ich wieder das Bad verlassen würde, musste ich mich beruhigen. Deacon hatte zu viel Macht über mich, das musste ich soeben feststellen. Trotzdem musste ich stark bleiben und Herr meines Körpers bleiben. Sonst würde ich nur noch mehr Probleme haben. Da war ich mir sicher.
Als sich meine Atmung beruhigte, strich ich mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich musste wach werden und nicht mehr der gerade geschehenen Situation hinterher träumen. Auch, wenn ich mittlerweile viel zu oft von Deacon träumte. So sehr sehnte ich mich nach ihm. Kein gutes Zeichen.
Nach einigen weiteren Minuten verließ ich das Bad, nur um festzustellen, dass Deacon bereits das Bett verlassen hatte. Wohlmöglich war er in die Küche gegangen, um mit mir das Frühstück vorzubereiten.
Humpelnd machte ich mich auf den Weg zur Küche, wo ich den eben genannten oberkörperfrei in der Küche sah. Das er halbnackt im Bett lag, war mir gar nicht aufgefallen. Vor allem, war mir sein grandioser Körper noch nie aufgefallen. Er war zwar nicht sonderlich bemuskelt, aber für mich war es ein perfekter Körper. So einen würde ich selbst gerne haben.
„Alles gut? Habe ich irgendwo etwas oder warum starrst du mich so an", er grinste mich schief an, so wie er es immer tat. Schnell sah ich weg und lief mal wieder rot an. Das passierte viel zu oft, wenn er mit mir redete.
„Ja, ich habe nur gerade geguckt, was du schon vorbereitet hast", log ich schnell und zeigte auf den fertig gedeckten Tisch: „Das wollte ich doch machen."
„Eigentlich darfst du gar nichts machen. Setz dich hin und sieh mir zu", lachte er, während er Teller rausstellte. Nickend gab ich mich geschlagen. Egal, was ich darauf erwidern würde, er würde nicht zu lassen, dass ich nur ein wenig mithelfen würde. Aufgeben war das Beste.
„Ich geh mich eben anziehen und dann wecke ich die anderen. Du kannst dir gerne schon was nehmen", grinste er und gab mir einen Kuss auf die Wange. Dieser war anders als die Küsse von gestern. Dieser war viel intensiver und mit mehr Leidenschaft und anders als gestern, zuckte ich nicht weg. Ich genoss diese Berührung richtig und hoffte, dass sie ewig anhalten würde. Aber leider fand sie viel zu schnell ein Ende.
Gerade als ich ihn ansehen wollte, war er bereits verschwunden. Allein saß ich da und versuchte meine Gedanken zu sammeln. Wenn wir fertig mit dem frühstücken waren, musste ich ihn fragen, was hinter diesen intimen Gesten steckte. War es bloß eine Ablenkung von der Trauer oder gab er sich nun komplett seinen Gefühlen zu mir hin? Das letztere würde mir am besten gefallen. Auch, wenn ich diese nicht von Anfang an erwidern könnte. Es wäre dennoch ein gutes Zeichen, dass zwischen uns beiden eine Beziehung entstehen könnte. Bereit dafür wäre ich, wenn ich meine Krankheiten geheim halten konnte. Sobald es zu gefährlich werden würde, müsste ich wohl oder übel Schluss machen. Daran sollte ich aber erst denken, wenn dieses Szenario tatsächlich der Realität entspricht. Bis dahin, musste ich auf jede intime Geste warten.

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⏰ Last updated: May 02 ⏰

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Within 5 years ~ Ein Leben voller KrankheitWhere stories live. Discover now