Kapitel 4

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Kapitel 4

Alexis
Montag war immer ein anstrengender Tag. Mein Chef rannte von einem Jour-Fix zum nächsten, die zur wöchentlichen Abstimmung laufender Projekte genutzt wurden. Dabei war die Taktung der Termine so eng gesetzt, dass sich jeder verschob, wenn sich auch nur ein einziger in die Länge zog. Für mich bedeutete das, ihm frühzeitig eine Nachricht zu schicken, dass er den Schlusssatz formulieren konnte, ehe ich ihn aus dem Jour-Fix holte und zum Folgetermin begleitete. Auf diesem kurzen Weg hatte ich Gelegenheit, angefallene Fragen zu klären, ihn mit Zusatzinformationen zu versorgen oder aber für seine Verpflegung zu sorgen, dass er nicht den ganzen Tag ohne Mahlzeit zubrachte.
Ausgerechnet heute gab es auch noch ein unvorhergesehenes Produktionsproblem, sodass ich neben den alltäglich anfallenden Aufgaben auch noch mit dem IT-Support beschäftigt war, die mir irgendwas davon erzählten, dass ein Cache vollgelaufen sein sollte. Mir war egal, was die Ursache dafür war, dass die Seiten der Chicago Tribune Sonderausgabe um neunzig Grad gedreht ankamen. Ich wollte nur, dass sie es so schnell wie möglich aus der Welt schafften!
Zu allem Überfluss geisterten mir auch noch grüne Augen im Kopf herum, die mich mit einem Lächeln bedachten. Ich wusste nicht, wie Augen überhaupt lächeln konnten - aber seine hatten es getan, taten es noch und es machte mich wahnsinnig!

Matthew
Pünktlich auf die Minute klingelte das Telefon. Ich bat meine Kollegen, das Meeting für einen Moment zu unterbrechen und das Büro zu verlassen. »Mary«, begrüßte ich sie und hörte im Hintergrund erneut die U-Bahn. Stets unterwegs, die Kleine.
»Uuuund?« Ihre Stimme klang fordernd und neugierig zugleich, was mich schmunzeln ließ. Würde ich sie so bedrängen bei ihren Dates, ging sie mit Sicherheit die Wände hoch. Aber das war natürlich etwas ganz anderes.
»Die Veranstaltung war sehr gut organisiert. Gefiel mir.«
»Matt!«, fauchte sie. »Was interessiert mich die Tischdeko? Hast du wen kennengelernt?«
»Natürlich. Dafür ist das Date Roulette doch da, oder?«, spielte ich und hörte, wie sie sichtlich genervt die Luft einzog. Ich lachte. »Schon gut. Ja, es war jemand dabei, der mich interessiert. Jetzt muss ich allerdings warten, dass sie sich bei mir meldet.«
»Wieso rufst du sie nicht an?« Mary schien sich nicht so genau damit auseinandergesetzt zu haben, dass sie diese Frage stellen musste.
»So sind die Regeln, Schwesterherz. Es gab wohl Stalkingfälle, weshalb den Damen vorbehalten bleibt, anzurufen.«
»Oh.«
»Ja. Ich hoffe einfach, dass sie sich meldet. Nicht so wie ...« Ich verstummte. Habe ich meine Gedanken gerade laut ausgesprochen?
»Nicht so wie wer?«
Ich stöhnte, massierte mir die Schläfen. »Ich bin vor einiger Zeit einer Frau im Coffeeshop begegnet.«
»Das hast du mir gar nicht erzählt!«, schrie sie durchs Telefon.
»Mary. Du erzählst mir auch nicht, mit wem du dich triffst.«
»Du hast dich mit ihr getroffen?«
»Nein, ich ...«
»Also war es mehr als ein zufälliges Kennenlernen in einem Coffeeshop?«
»Nein, es ist ...«
»Das musst du mir unbedingt erzählen, wenn ich dich bald besuche. Meine Bahn kommt! Bye!« Und schon hatte sie aufgelegt.
Ich blickte noch einen Moment auf den Hörer, ehe ich auflegte. Ich mochte wetten, dass sie es falsch verstanden hatte und mir nachher vorhielt, dass es meine Schuld war. Typisch. So typisch!

Alexis
Es war spät, als ich in die U-Bahn stieg. Müde schloss ich die Augen, genoss einen Moment der Stille, ehe ich mit der Hand in meine Tasche glitt und das Handy herausholte. Langsam tippte ich die Zahlenfolge ein, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollte, genauso wenig wie sein Blick, der mich zu verfolgen schien.
Ich hatte die Nummer heute schon siebzehn Mal eingetippt, jedoch nie den grünen Button gedrückt. Auch jetzt starrte ich darauf, rührte mich nicht. Du darfst ihn nicht anrufen. Er gehört Robin. Ich wusste es ja. Es war falsch. Er interessierte sich nicht für mich. Nicht wirklich.

Meine Stimmung hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht, als ich Zuhause ankam. Verwundert roch ich chinesische Küche und fand Robin im Wohnzimmer. Sie hielt mir grinsend eine Box gebratene Nudeln hin, die ich ihr dankbar abnahm.
»Montag ist immer viel los. Du bist später als sonst«, stellte sie fest, als ich mich seufzend neben sie setzte.
Ich nickte, schnappte mir Stäbchen und begann zu essen. Da fiel mir eine dunkelrote, langstielige Rose auf, die mitten auf dem Tisch stand. Fragend blickte ich Robin an, bemerkte erst jetzt das Strahlen in ihren Augen. Sie hat einen neuen Kerl? So schnell?
»Derek hat sie mir geschenkt, nachdem ich heute mit ihm aus war«, erzählte sie verträumt und schnupperte bedeutungsvoll an der Blüte. »Seine Oberarme sind so ...« Sie macht eine Geste, die mir nichts sagte und doch alles erklären sollte. »Ich steh total auf ihn.«
»Das freut mich«, meinte ich ehrlich und schob mir eine Ladung Nudeln in den Mund. Aber muss er gleich eine Rose verschenken?

Herz im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt