Chapter One

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Autumn

»Argh«, stöhnte ich und drückte mein Gesicht tiefer ins Kissen, als mein Handywecker klingelte. Es war erst 6:45 Uhr. Trotzdem höchste Zeit für mich aufzustehen, wenn ich meinen Dad nicht im Stich lassen wollte. Ich schlug die Decke zurück und zog sie im nächsten Moment wieder über mich. Es war so kalt, dass ich gar nicht aufstehen wollte. Die Idee einfach im Bett liegen zu bleiben, hörte sich viel verlockender an. Allerdings wusste ich, wie ich tickte. Mein schlechtes Gewissen würde sich schnell bemerkbar machen und mich nicht wieder zur Ruhe kommen lassen. Deshalb zählte ich innerlich bis drei, ehe ich todesmutig die Decke zurückschlug und mich aufsetzte. Müde rieb ich mir übers Gesicht, schwang die Beine über die Bettkante und sah mit einem unbehaglichen Gefühl nach draußen in die Dunkelheit. Die mir hier drin jedoch nichts anhaben konnte. Also reiß dich verdammt nochmal zusammen Autumn.

Ich hasste die Dunkelheit abgrundtief. Sie machte mir Angst. Weshalb ich seit über 6 Jahren jede Nacht mit angeschaltetem Licht schlief, wie ein verdammtes kleines Kind, obwohl ich mittlerweile schon 23 war. Die Tatsache störte mich selbst. Aber ich konnte es nicht ändern. Immer wenn ich versuchte mich meinen Ängsten zu stellen, verfiel ich in Panik und brauchte manchmal Tage, um mich wieder halbwegs erholt zu haben. Um meine Situation nicht ganz so peinlich zu gestalten, hatte ich mir vor ein paar Monaten einen Lichtervorhang gekauft, der über meinem Bett befestigt war und mir in der Nacht wenigstens etwas Licht spendete. Für andere ein schönes Deko-Element, war dieser Vorhang zu meinem wichtigsten Begleiter geworden.

Sobald ich stand, schaltete ich die große Deckenleuchte ein und wagte mich aus meinem Zimmer. Der Flur war bereits hell erleuchtet. Das hieß mein Dad war schon wach und hatte das Licht extra für mich angelassen. Barfuß tapste ich die Treppe aus dem Dach, wo mein Zimmer lag, herunter in die dritte Etage, über den Flur zum Badezimmer. Auch hier brannte das Licht, was mich ungemein erleichterte. Ich putzte Zähne und stieg schnell unter die Dusche, bevor ich zurück in mein Zimmer ging, um mir frische Anziehsachen zu holen. Nach einem Blick nach draußen, wo sich langsam die ersten Lichtstrahlen zeigten, entschied ich mich für eine einfache schwarze High Waist Jeans und einen weißen Strickpullover. Meine runde Brille, die ich mir noch vom Nachtschrank griff und auf meine Nase schob, rundete mein Erscheinungsbild ab.

Meine beste Freundin Katy meinte immer, dass sie neidisch auf meine großen Augen wäre und sie einem als erstes an mir auffielen. Und auch ich musste zugeben, dass mir meine Augen gefielen. Von der Farbe her, war es eine Mischung aus den grünen Augen meiner Mum und den grauen Augen meines Dads. Einzigartig, wie Dad es immer bezeichnete. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, band ich meine Haare zu einem unordentlichen Dutt und löschte die Lichter, bevor ich leise, um die Gäste nicht zu wecken, die Treppen aus dem vierten Stock nach unten ins Erdgeschoss lief.

Meine Eltern und ich lebten in Stowe. Einer Kleinstadt in Vermont etwa eineinhalb Stunden von der kanadischen Grenze entfernt. Mit seinen knapp 5500 Einwohnern war die Stadt nicht wirklich groß, doch sie machte sie nicht weniger attraktiv für Touristen. Vor allem jetzt im Herbst, wenn die Temperaturen deutlich sanken und bald der erste Schnee fiel, strömten die Touristen nur so herbei, um hier Skiurlaub zu machen. Im Frühling und Sommer kamen meist Leute, die mehr am Wandern oder Angeln interessiert waren. Mit anderen Worten. Unser Städtchen war stets überlaufen von Touristen. Deshalb hatten meine Eltern vor über dreißig Jahren ein Bed & Breakfast eröffnet. Nicht übermäßig groß. Jedenfalls im Vergleich zu den Luxusresorts, vor denen man sich hier in Stowe nicht retten konnte.

Nur 15 Zimmer mit jeweils zwei bis vier Betten. Insgesamt für 45 Personen gleichzeitig. Und diese Plätze waren die Wintermonate über immer komplett ausgebucht, weil wir im Gegensatz zu vielen Hotels in der Gegend, wesentlich bessere Preise hatten. Außerdem war es nicht so förmlich und eher familiär. Gemütlicher. Ein wenig urig vielleicht. Und die Gäste in unserem Haus, aktuell 27, wollten versorgt werden. Deshalb ging ich geradewegs in die Küche, wo mein Dad bereits fleißig werkelte. »Morgen Dad«, machte ich mich bemerkbar, sobald ich in die Küche kam. »Guten Morgen Krümel. Wie hast du
geschlafen?«, stand ihm die Sorge schon ins Gesicht geschrieben, weshalb ich ihm nicht mal böse sein konnte, dass er mich mal wieder mit diesem peinlichen Spitznamen ansprach. Den ich ausschließlich meiner Sucht nach Keksen in der Kindheit zu verdanken hatte.

Glowing DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt