Kapitel 66 - Arbeiten

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"Zum hier Essen oder zum Mitnehmen?", Fragte Louis höflich.
"Zum hier essen.", Lächelte das Mädchen und nahm ihren großen Kakao und ein Salatbrötchen entgegen, als Louis ihr ihre Bestellung reichte.

"Danke.", Lächelte sie und setzte sich ans Fenster.

Louis atmete tief durch. Es war so vertraut, hier zu sein. Hier im Verkaufsraum der Bäckereie. Niemand hatte etwas Komisches gesagt, als er heute wieder aufgetaucht war. Maggy hatte ihn in den Arm genommen, als wären sie von vornherein für genau heute verabredet gewesen. Und damit hatte er sich seine Schürze ungebunden und hatte sich an die Arbeit gemacht.

Gestern hatte der Alpha ihm Zugang zur den Werkstätten ermöglicht. Louis fand das wirklich sehr sehr lieb und hatte sich unglaublich gefreut. Die Werkstätten waren offen für jeden. Jedes Rudelmitglied konnte dort ein und aus gehen. Aber genau das hatte Louis bisher daran gehindert. Er hätte sich niemals getraut dort zu sein, wenn gerade jemand anderes da gesessen hätte. Nicht, dass er störte. Nein, schon das Wissen dort könnte ihm jemand begegnen, hatte Louis bisher sehr erfolgreich fern gehalten.
Aber nun hatte er die ausdrückliche Erlaubnis des Alphas. Harry hatte es ihm, als er gesehen hatte, wie Louis reagiert hatte, sogar auf einen Zettel geschrieben. Den könnte er dann vorzeigen, wenn er wirklich Mal jemandem begegnen sollte. Gut, ob er sich trauen würde einen Zettel vorzukramen, wenn jemand eh schon genervt war, war auch wieder zweifelhaft, aber die Geste zählte. So fühlte er sich jedenfalls sehr viel willkommener als vorher.

Es war seltsam nun wieder arbeiten zu gehen. Nachher wäre dafür Wolfzeit. Darauf hatte er natürlich keine Lust. Aber wenn das die Bedingung war, um eine gewisse Zeit außerhalb des Rudels zu verbringen, dann machte er es eben. Zuerst war er etwas unsicher gewesen. Omegas blieben eben eigentlich in den Rudeln und ein bisschen Überwindung gehörte dazu, wenn man die Grenzen des Reviers verließ. Auch für Louis, obwohl er gern gehen wollte. Aber er war nun eben eine ganze Weile nicht allein bei den normalen Menschen gewesen.

Aber Liam hatte ihm erklärt, dass er einmal pro Stunde vorbei kommen und nachsehen würde, ob es ihm gut ging. Louis hatte sich artig bedankt und tatsächlich gesagt, dass ihm das den Wiedereinstieg bestimmt auch erleichtern würde. Und was hatte Liam gesagt? "Nee, das mache ich jetzt immer. Anordnung des Alphas."
Vorher war Liam immer genervt gewesen, als er nach Louis hatte sehen müssen. Als er sich überhaupt um ihn hatte kümmern müssen. Bis Harry Louis zu sich geholt hatte. Seither war Liam ein bisschen, wie eine Art schräger Lieblingsonkel. Er kümmerte sich um Louis, wenn Harry keine Zeit hatte und irgendwie schien es Liam gar nicht mehr zu stören.

"Trotzdem danke...", Hatte Louis nur unwohl gemurmelt. Nun fiel er Liam doch zur Last und der machte das nur, weil Harry es befohlen hatte und eigentlich wollte der das gar nicht und er wäre genervt, weil er eigentlich ganz andere Dinge tun müsste und viel lieber machen wollte und dann würde er böse gucken und mit Louis schimpfen und dann -

"Hey. Ich mache es gern. Vorher dachte ich einfach, dass du arrogant bist und dich für was Besseres hältst. Dass du auf uns herab blickst, obwohl dein Verhalten nicht gesund war. Aber jetzt... Also nicht, dass ich Mal irgendwie, irgendwo, irgendwas verstehen würde.. aber..  ich glaube, dass man einfach der ist, der man werden musste, um nicht unterzugehen. Und... Unter dem Gesichtspunkt betrachtet, könnte ich auch fünf Stunden einfach nur vor der Bäckerei hocken und würde es gern tun. Verstehst du?"
Louis wusste nicht so wirklich, was er dazu sagen sollte. Es stimmte schon..  war nicht jeder geprägt durch Erlebnisse und Entscheidungen? Auch wenn man seine Vergangenheit nicht über seine Zukunft entscheiden lassen sollte, prägte sie doch die Gegenwart, oder nicht? Nachdenklich hatte Louis seine Schuhe angesehen und überlegt, wie anders sein Leben verlaufen wäre, wenn das eine oder andere Lebensereignis so nicht stattgefunden hätte. Oder er andere Dinge erlebt hätte...
Arrogant, sich für etwas besseres halten und auf andere herab blicken? Louis hätte sich selbst so niemals beschrieben. Er hatte eben nicht dazu gehört. Sie alle hatten für ihn eine Art Einheit gebildet und er war außen vor geblieben. Ja, er fand das wölfische Verhalten primitiv und ekelig. Wer nicht? Hallo? Die kackten überall hin und ihre Tischmanieren ließen zu wünschen übrig. Aber in Menschenform? Louis würde sich niemals über einen anderen Menschen erheben wollen. Nicht nur, weil er ein Omega war und an seinem schlechten Gewissen förmlich zergehen würde. Nein. So etwas kam auch einfach nicht in seinem Denken vor. Er wusste doch, dass er, völlig egal, wem er begegnete, immer der Schwächere sein würde. Der Unselbständigere.
Für ihn war es eher faszinierend, wie Liam sein Verhalten interpretierte. Wirkte er wirklich arrogant und überheblich?

Sehr nachdenklich hatte er sich schließlich von Liam verabschiedet und hoffte, dass das nicht auch irgendwie negativ ausgelegt werden würde. Louis wollte keinen Stress und keinen Ärger. Er wollte ganz bestimmt niemandem ein schlechtes Gefühl geben oder Leute gegen sich aufbringen. Er war lieb. Wie es da zu solchen Interpretationen kommen konnte, war ihm vollkommen schleierhaft.
Er hatte sich natürlich vom Rudel ferngehalten. Er konnte nicht mithalten, hatte teils Angst vor ihnen,  verstand oft nicht, was sie redeten oder interpretierte das irgendwie falsch. Sie wussten oft instinktiv, wie etwas gemeint war. Gerade in Wolfsform. Das Kräuseln der Nase oder ein Zucken der Ohren waren für sie klare Infos. Louis hatte davon keine Ahnung. Er konnte das weder anwenden noch bei anderen verstehen. Wieso hieß es Missbilligung, wenn die Nase gekräuselt wurde? Vielleicht juckte denjenigen auch einfach was? Oder er unterdrückte ein Gähnen oder so?

Jedenfalls hatte er nie jemandem den Eindruck vermitteln wollen, er würde auf ihn herab sehen. Das war kein schönes Gefühl und das wusste Louis nur zu gut. Er würde es niemand anderem geben wollen.
Das hatte er mit seinem Herumgestammel auch Liam mitteilen wollen und auch, wenn er sich nicht klar und deutlich artikuliert hatte, schien der ihn dennoch irgendwie verstanden zu haben. Louis hoffte es zumindest, weil Liam gelächelt hatte.

Und so stand er nun in der Bäckerei und lächelte, wenn Liam vorbei ging und zu ihm herein sah. Es war seltsam. Aber zum ersten Mal fühlte er sich nicht kontrolliert, sondern beschützt.

Louis' Blickwinkel ändert sich also... Zu Beginn fanden das Rudel alle schrecklich und haben Louis bemitleidet. Wie seht ihr es inzwischen?
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Alphas OmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt