Kapitel 56 - Gedanken

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Es war, als würde man auf rohen Eiern tanzen. Sobald ihm eine Situation zu brenzlich wurde, verkroch sich Louis' menschliche Seite. Oder aber die wölfische Seite drängelte sich vor, wenn etwas Spaß versprach. So langsam konnte Harry verstehen, wieso Louis so gern arbeitete. Wahrscheinlich konnte er dort loslassen, weil die wölfische Seite darauf Mal so überhaupt keine Lust hatte.
Harry hatte gerade überlegt, wie er Louis zu Hause solche "Inseln" schaffen könnte, aber er hatte echt keine Ahnung. Er löste bei der wölfischen Seite ja durch seine pure Anwesenheit schon eine enorme Geilheit aus. Und bei der menschlichen Seite? Tja, schwer zu sagen. Harry glaubte nicht, dass die Seite ihn nicht mochte. Aber irgendwie hatte Louis ein arg verzerrtes Bild davon, wie ein Rudel war und wie sich ein Alpha verhielt. Harry hatte die Vermutung, dass genau solche falschen Annahmen dazu geführt haben könnten, dass Louis seine wölfische Natur so sehr ablehnte und eben auch seine Eingliederung in ein Rudel nicht wirklich wollte.
Berührungen schienen für ihn generell sexualisiert zu sein. Klar, wie jetzt gerade zusammen in der Badewanne zu hocken war schon recht vertraut. Eine Vertrautheit die Harry zu Louis' menschlichen Körper eigentlich nicht hatte. Aber letzte Nacht hatten ihre Wölfe es so heftig miteinander getrieben, dass Louis kaum laufen konnte. Und ein bisschen blass um die Nase war er auch. Dazu dürfte er wohl auch einfach ziemlich fertig sein. Harry wollte ihn in dem Zustand nicht allein lassen. Gut, das klang selbst in seinen Ohren zu unschuldig. Er wollte ihn. Scheiße, er hatte ihn mit in die Wanne genommen, weil eben auch seine menschliche Seite nicht zur Enthaltsamkeit geschaffen war. Er hatte ihn jetzt nicht in der Wanne durchnehmen wollen, aber körperliche Nähe zu ihm hatte er dennoch gebraucht.
Er hatte kein Problem einen Mann, eine Frau oder beides oder welche Konstellation auch immer für einsame Stunden zu finden. Natürlich nicht. Er war der Alpha. Würde er dazu auffordern, würde sich nahezu jedes Mitglied seines Rudels seiner Gelüste annehmen. Das hatte er schon sehr oft genutzt und wahrlich verdammt schöne Stunden gehabt. Wobei er darauf achtete, dass auch seine wechselnden Liebschaften nicht zu kurz kamen. Das war ja nun auch längst nicht selbstverständlich.

Dummerweise fixierte sich seine Lust aktuell zunehmend auf den kleinen Omega. Während dessen Abwesenheit hatte er sich wieder durchs Rudel gebumst. Und nun? Er wollte ihn... Den einen, den er nicht einfach so haben könnte. Jedenfalls nicht, ohne ihn auf die eine oder andere Art und Weise kaputt zu machen. Und Harry hatte nie etwas mehr gewollt, als genau dieses schutzbedürftige Wesen heilen zu sehen. Innerlich. Mitbekommen, wie er wieder eins zu werdenwürde. Wer wäre er da, seinen Gelüsten nachzugeben und zu zerstören, was heilen sollte?
Tja, aber abstellen konnte er sein Verlangen eben auch nicht und andere zu ficken war kein wirklicher Ersatz. Mit dem Omega zusammen zu baden war gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner, den er gefunden hatte. Er. Nicht der Omega.

Der schien aus irgendeinem Grund körperliche Nähe generell als Bedrohung einzustufen. Und wo hatte er das her, fürs Rudel hinhalten zu müssen? Klar, es gab Rudel wo das so praktiziert wurde. Es gab auch Omegas, die daraus Befriedigung zogen. Es lief also längst nicht im überwiegenden Teil der Rudel unter Zwang ab.
Im Grunde war die Erklärung denkbar einfach: Omegas waren schutzlos und brauchten die Nähe zu anderen, wie die Luft zum Atmen. Allein hatten sie Angst. Sie hatten im Grunde kein Bestreben, ihre Angelegenheiten selbst zu klären oder sich irgendwie selbstständig zu entwickeln. Es lag in ihrer Natur. Durch sexuelle Beziehungen mit mehreren ranghöheren Wölfen, pflegten sie sehr enge soziale Beziehungen, erwirkten mehr Zuneigung und mehr Schutz. Rudelschlampe oder eine Art Harem von dominanteren Gespielen? In manchen Fällen war das schwer zu sagen.
Aber Harry würde nie zulassen, dass Louis oder ein anderer Omega in seinem Rudel gegen seinen Willen von irgendwem benutzt würde. Ganz einfach. Die Omegakörper schütteten im Vergleich zu den Körpern anderer Ränge, wesentlich mehr Glückshormone beim Sex aus, auch ihre Pheromone und generell der ganze Chemiecocktail im Körper war viel höher. Das Ergebnis: schon hormontechnisch hatten Omegas sehr gern Sex. Von der Natur ein simpler Trick: Liebe das, was du tun musst, damit es dir gut geht. Genieße es gefickt zu werden und Stelle dadurch deinen eigenen Stand sicher. Denn wenn man sich beispielsweise regelmäßig von vier ranghohen Betas besteigen ließ, war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gamma einem doof kam, ziemlich gering. Zumindest tat der das, wenn überhaupt, nur einmal.
Eine sehr ausgeprägte Libido war für Omegas also gesund und normal. Und Louis? Der lehnte diese ab, sah sie als wölfisch an, bezeichnete seinen Wolf als Schlampe und versagte sich damit selbst letztlich jegliche sexuelle Interaktion. Nur wo kam dieses verzerrte Bild her?

Harry seufzte. Der Omega lehnte noch immer an ihm. Der gleichmäßige Atem verriet eindeutig, dass er eingeschlafen war. Auch das verwirrte Harry. Von Angst konnte Louis nahezu nahtlos in einen Schlaf herüber gleiten. Wer schlief in einer, ihm persönlich bedrohlich erscheinenden Situation, einfach ein? Vertraute Louis ihm letztlich doch genug, um, auch wenn sie beide nackt waren, auf seinem Schoß sitzend, einzuschlafen? Oder war das der Einfluss der wölfischen Seite auf ihn? Die so sehr Angst hatte, dass er Angst bekam, dass sie es mit der innerlichen Beruhigung einfach übertrieben hatte? Harry hatte keine Ahnung, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Aber er nahm es einfach mal als Zeichen.

-

Irgendwann hatte er sich, mit Louis im Arm, aus der Wanne erhoben und hatte den Omega, noch immer schlafend in sein eigenes Bett gelegt. Vielleicht beruhigte sein Geruch den Omega ja? Harry wusste es nicht.

Er hatte nun erstmal noch ein Hühnchen zu rupfen.
Da er davon ausging, dass alle mehr oder minder schliefen, hatte er schon kurzzeitig ein schlechtes Gewissen. Aber er wollte nicht, dass der Omega ungeplant aufwachte und dann allein war. Deswegen würde er hier bleiben.

Er heulte einmal laut nach draußen. Es war unmissverständlich, wen er sehen wollte. Alle anderen könnten also einfach wieder einschlafen.

Er roch ihn, bevor er ihn sah. Angst, Reue, Selbstmitleid, aber auch ein Rest an Genugtuung und Trotz: Dominik.

Auch hier geht's Mal weiter.
Hoffe wir haben in einer Woche eine Lesenacht. Aber ich melde mich vorher nochmal.
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Alphas OmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt