Das hatte ich schon vermutet. Ein wenig demotiviert widmete ich mich dem Wälzer vor mir. Die Buchstaben bewegten sich zusammenhangslos über das Papier. Was zum Teufel lief nur falsch bei mir? Ich änderte die Sitzposition, verknotete meine Füße in eine Schneidersitzposition – nichts half.

»Mit einer originellen Idee kann man aber herausstechen«, fügte er hinzu. »Wieso fragst du?«

Ich biss mir auf die Lippe, zuckte mit den Schultern und murmelte: »Nur so.« Als geborene Kopie, die damals die Seiten ihres Bulletjournals eins zu eins von anderen Youtubern übernommen hatte, überlebte ich auf Social Media nicht lange.

»Dafür mache ich es nicht.« Er schob mir sein Handy hin und zeigte mir seine Profilseite. Mit einem Klick auf das Bild, das Larson vor einer schicken Luxuslimousine erkennen ließ, öffnete sich seine Story. Dort sah man ihn vor einer Hofeinfahrt reden, allerdings lautlos. Der Fragesticker gab jedoch Aufschluss darüber, um was es ging. »Letztens habe ich meine Follower gefragt, wo die nächste Reise hingehen soll. Trotz der hohen Zahl an Abonnenten hat kaum jemand geantwortet. Ich liebe den Austausch mit denen, die sich wahrhaft für mein Leben interessieren. Es sind nicht viele, aber dafür kenne ich jeden von ihnen mit Namen.«

Gebannt verfolgte ich Larson, wie er durch die Bilder seines Feeds scrollte. Man erkannte sofort, dass sie mit einer Spiegelreflexkamera geschossen waren. Selbst der hinterste Vogel am Horizont wirkte gestochen scharf. Auf jedes von ihnen legte sich ein einheitlicher Filter – helles Licht mit einem leichten Roséstich. Auch wenn Larsons Worte Balsam für die Seele waren, bestritt ich nicht, mir mit einer öffentlichen Instagramseite Aufmerksamkeit zu erhoffen. Ich wollte gesehen und geliebt werden.

»Hast du auch Insta?«, erkundigte er sich bei mir im Flüsterton, um die anderen nicht zu stören. Ich schüttelte den Kopf, denn das private Profil von mir, das existierte, wurde vor drei Jahren das letzte Mal geupdatet.

»Aber du spielst mit dem Gedanken, dir eins anzulegen«, schlussfolgerte er. Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, vielleicht. Ich weiß nicht, ob mir das liegt.«

Larson tippte erneut auf seinem Smartphone herum. Es sah danach aus, als scrollte er durch die Bilder. Er hielt inne und zeigte mir ein Foto, wo jemand seine Hand ausstreckte und eine Tube Sonnencreme der Kamera präsentierte. Lichtschutzfaktor dreißig. Teilte er mir durch die Blume mit, dass ich meine käsige Haut eincremen musste?

»Dieses Foto findet man unter den Topbeiträgen bei dem Hashtag Travelblogger. Es ist leicht verwackelt und überhaupt nicht schön, anzusehen. Was ich damit sagen will«, erklärt er sich, »denk nicht lange darüber nach und tu's einfach. Kaum einer liefert immer High-Qualitiy Content und das ist gut so.«

Er widmete sich wieder seinen Followern, bis ihm nach einer Weile unter Dinas strengen Blicken einfiel, Teil unserer Gruppe zu sein. Wir wälzten für eine Stunde die Bücher, aber mein Kopf beschäftigte sich die ganze Zeit nur mit der Aufmachung meines Feeds. Wie würde ich heißen? Welches Thema fand man dort? Filme? Serien? Bulletjournaling? Journaling im Allgemeinen? Vielleicht hatte ich auch das Zeug, in Zukunft der nächste Teacherinfluencer zu werden.

Zuhause, eingekuschelt in meine flauschige Bettdecke, kam mir die Eingebung, mich lennjashome zu nennen. In der Hoffnung, dass der Ort etwas wie ein Rückzugsort wurde, behielt ich mir zunächst die Möglichkeit offen, alles im Profil zu veröffentlichen. Ich fügte die Profilbeschreibung »Serien/Filme, Bulletjournaling, Wortfetzen« hinzu. Bei diesen Themen fühlte ich mich für den Anfang am sichersten. Fehlte nur noch das Profilbild. Ich öffnete die Innenkamera, vergrub mein Gesicht ein bisschen in den warmen Stoff des Schals und drückte ab.

Zu blass! Und war das etwa ein Doppelkinn? Ich versuchte, ein neues Foto zu schießen, dieses Mal von weiter oben. Aus dem Blickwinkel wirkte man angeblich schlanker. Skeptisch betrachtete ich das entstandene Abbild einer Leiche kurz vor der Verwesung. Ein Wunder, dass ich den Arm auf verkrampfte Art von mir strecken konnte. Nach der zehnten Fehlaufnahme gab ich es auf und fügte stattdessen meinen Bitmoji als Profilbild ein. Er sah aus wie eine etwas dünnere Version von mir mit ebenerer Haut und Haaren, die perfekt lagen. Das einzige Manko war, dass es bei den Accessoires keinen Schal gab.

Box Nr. 7Where stories live. Discover now