Kapitel 33 - Arzt

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Louis verbrachte die nächsten Tage mit dem Versuch unsichtbar zu werden. Wenn Harry ihn rief, war er sehr lieb und tat möglichst alles, was der wollte, um es schnell hinter sich zu bringen und damit selbst keine große Sache zu sein. Dabei war ihm aufgefallen, dass er es nicht mehr unbedingt tat, weil seine Natur ihn ohnehin dazu zwang. Er tat es eben auch aus Eigenantrieb. Sehr berechnend. Aber egal. Wenn Harry ihn dann lobte, mochte er das. Auch wenn er das natürlich möglichst nicht zeigte. Oder sich selbst eingestand...

Er selbst hatte sogar versucht Harrys Forderungen voraus zu sehen, damit er sie schon im Vorfeld erfüllen könnte. Dann müsste der Alpha sich noch weniger mit ihm beschäftigen. Das wäre sehr gut. Aber es klappte nicht so richtig. Louis hatte einfach keine Ahnung, was in dessen Schädel die ganze Zeit so vorging.

Harry hatte inzwischen wirklich mit Maggy gesprochen und die hatte ihm eiskalt gesagt, dass Louis immer willkommen wäre. Selbst, wenn er acht Stunden unbezahlt Kakao trinken würde. Louis hatte das sehr imponiert. Die kleine rüstige Maggy machte dem Alpha eine Ansage.
Und der hatte tatsächlich zugestimmt, dass Louis bald wieder arbeiten dürfte. Louis war dafür unglaublich dankbar.

-

Müde tapste er gerade die Treppe hinunter. Harry hatte ihn gerufen. Der hockte in der Küche mit einem Mann, der kein einziges Haar mehr auf dem Kopf, aber dafür einen sehr langen Bart hatte.

"Oh, na dann komm Mal her, Mäuschen.", Sagte der alte Mann und Louis blieb stocksteif stehen. Der gehörte nicht zu ihrem Rudel. Der roch ganz ganz anders. Hatte Harry ihn direkt an ein anderes Rudel gegeben?! War der hier um ihn mitzunehmen?! Louis hatte langweilig sein wollen, aber doch nicht sooo langweilig! Wer wusste schon, wie dessen Rudel war?!

Sein Alpha knurrte und Louis lag quasi augenblicklich auf dem Boden. War es noch sein Alpha? Louis wusste es nicht. Bekam man das mit?

Im nächsten Moment wurde er aufgehoben und landete auf Harrys Schoß vorm Mann.

"Sein Name ist Louis. Und keine andere Anrede steht Ihnen zu.", Knurrte Harry den Mann an. Den Mann! Nicht Louis! Der konnte sein Glück kaum fassen.

"Verzeihung. Ich wollte niemandem zu Nahe treten."
"Seid ihr aber."
"Das war nicht meine Absicht.", Nuschelte der alte Mann.

Louis traute sich nichts zu sagen aber aus großen und unsicheren Augen sah er zu Harry hoch.

"Das ist der Werwolfmediziner. Er sollte dich ansehen. Wir haben darüber gesprochen. Weißt du noch?"
"Nein, Harry.", Stammelte Louis und fühlte sich wieder einmal so überfahren. Wo war er da nur mit seinen Gedanken gewesen, dass er nichts davon mitbekommen hatte?

"Er soll dich anschauen und dann geht er wieder.", Erklärte Harry und Louis atmete unwillkürlich auf. Offensichtlich musste er nicht mit dem Mann mit gehen.

Der Arzt sah ihn sich an und fragte dann: "Louis, würdest du dich bitte wandeln?"
"Äh... Ich würde gern. Wirklich... Aber... Ich kann das nicht allein...", Stammelte Louis. Ihm was das fürchterlich peinlich.

"Das ist schon okay. Was brauchst du, um dich wandeln zu können? Muss jemand den Punkt hinter deinem Ohr berühren?"
"Ja und fest in den Arm nehmen."
"Okay. Wären Sie so freundlich, Mr Styles?"
"Ja.", Kam es von dem kurz angebunden.

Harry half Louis, wie der das beschrieben hatte. Aber es dauerte trotzdem Recht lange.
Der Arzt beobachtete alles.

"Wie ist er aufgewachsen?", Fragte er dann.
"Dazu weiß ich nichts. Aber er war in einem engen Familienverband.", Erklärte Harry und streichelte Louis über den kleinen Wolfsrücken.

Der Arzt nickte und griff dann in seine Tasche.

"Das hier ist eine Elfenblume. Omegas reagieren auf diese sehr empfindlich. Nicht wundern.", Sprach der Arzt und hielt Louis eine hell lilane Blüte vor die Nase.

Harry beobachtete, wie das kleine Näschen zuckte und dann zielgerichtet an der Blume schnupperte, bis der Arzt diese wieder wegzog.

Danach tappste der kleine Kerl zu ihm und rammelte sein Bein. Na toll.

Der Arzt nickte jedoch nur langsam.
"Und?", Fragte Harry genervt.
"Nun, es ist nicht aussichtslos. Sie sagten, man merkt den Switch?"
"Ja, sehr deutlich."
"Nun, wäre er ein Mensch, wäre das alles komplizierter. Von normalen Menschen erwartet man eine einzige voll integrierte Persönlichkeit. Bei uns ist das alles etwas anders. Wir haben zwei Seiten. Die hat er auch. Soweit ist alles in Ordnung."
"Aber?"
"Normalerweise bilden beide Seiten eine Einheit. Verlassen sich auch aufeinander. Ein Beispiel: als ich dem Omega zu nah kam, fanden Sie das nicht in Ordnung. Die Art des Knurrens zeugte vom Wolf. Er war klar am Knurren beteiligt. Aber die menschliche Seite behielt die Oberhand, die eher redet, als tötet. Das ist das Normale bei uns."
"Und was ist mit ihm?"
"Die beiden Seiten sind aus dem Gleichgewicht. Die eine Seite hat sich in den Vordergrund gedrängt und bildet sich offenbar ein, den Laden allein schmeißen zu können, während die andere völlig zu kurz kommt."
"Wieso?"
"Tatsächlich ist diesen Phänomen, wenn es auch selten auftritt, bei Omegas nicht unbekannt."
"Wieso bei denen?"
"Sie sind die Rangniedrigsten. Oftmals wird von ihnen genau das Verhalten gefordert, was die Wolfsseite bei Ihrem Louis zeigt. Nicht viel nachdenken und sexuell sehr bereit sein. Oft wird dann diese Seite dominanter. Die Fähigkeit, durchaus konzentriert zu arbeiten, sich Gedanken zu machen und Fertigkeiten zu erlernen, weicht zurück, weil sie nicht gefördert, gefordert und honoriert wird."
"Aber das wäre das Gegenteil von Louis."
"Sehr richtig. Vielleicht wollte er ab einem bestimmten Punkt einfach genau aus diesen vorgefertigten Rollenbildern ausbrechen und begann dann die wölfische Seite abzulehnen."
"Und wie kann man ihm da heraus helfen?"
"Nun, diese Frage beantwortet jedes Rudel für sich. Manche übergehen die Omegas, behandeln sie so, wie sie das wollen. Andere versuchen die schwächere Seite zu fördern oder die stärkere Seite zu unterdrücken, bis sie sich wieder einpendeln. Und wieder andere entscheiden, dass der Omega genau so bleiben soll."
"Damit ginge die Gefahr der Spaltung einher."
"Ja. Das ist korrekt."
"Was würden sie empfehlen?"
Nachdenklich betrachtete der Arzt den kleinen Wolf, der auf Harrys Schoß gesprungen war und sich halb mit in dessen Hemd gezwängt hatte.

"In einer perfekten Welt würde man ihm zeigen, dass seine beiden Seiten willkommen sind. Dass er angenommen wird und bekommt was er braucht."
"Das ist schwierig, wenn beide Seiten gegensätzliche Dinge wollen."
"Tun sie das?"
"Die eine will Sex und die andere in Ruhe gelassen werden."
"Gehen sie darauf ein?"
"Nein. Die andere würde, denke ich Mal, darunter leiden."
"Und umgekehrt?"
"Wie?"
"Leidet die wölfische nicht darunter, wenn sie allein sein muss?"

Harry dachte nach. Ja. So gesehen war es sehr unfair.

"Ganz ehrlich: ich sehe da einen zu kleinen und schwachen Wolf, der völlig zurück ist und der Liebe und Aufmerksamkeit möchte und dabei absolut keine Ahnung hat, wie er danach fragen soll. Und die menschliche Seite hat genau das gleiche Problem."
"Wie meinen?"
"Wo schläft er aktuell?"
"In meinem Bett."
"Wie schläft er?"
"Sehr ruhig."
"Weil er genau die gleiche Beruhigung und Nähe braucht, wie die wölfische Seite. Nur haben beide Angst danach zu fragen. Ruhe kann so verschieden sein. Alleinsein beinhaltet eine Form von Ruhe, ja. Aber keine Ruhe geht über die hinaus, angekommen zu sein, seinen Platz gefunden zu haben und sich sicher und wohl zu fühlen."

Was denkt ihr?
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Alphas OmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt