Prolog

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Prolog

"Hallo Jisung, lange nicht mehr gesehen."
"Ich bin ehrlich...wenn es man mir gegangen wäre, hätten wir uns noch immer nicht gesehen." sagt Jisung, setzt sich auf die Couch, gegenüber seiner Therapeutin.
Diese schlägt ein Bein über ihr anderes, klappt ihr Notizbuch auf, während sie gleichzeitig ihren Stift hinter ihrem Ohr klemmt.
Etwas was sie schon seit ihrer ersten Sitzung macht.
Die ersten fünf Minuten sind immer gleich, ist ihr das eigentlich einmal aufgefallen?
Seit einem Jahr besucht Jisung nun schon diese Therapie, weil seine Mutter absolut verzweifelt mit ihm ist, was er ja natürlich auch verstehen kann, aber was bringt ihm diese Therapie denn?
Genau.
Sie bringt ihm auch nichts.
Doch kann sie ihm auch etwas bringen, wenn er selbst nichts dagegen tun möchte?
Einfach weil er keine Kraft dafür hat.
Da fällt ihm ein Spruch ein, welchen er vor ein paar Wochen in irgendeinem Buch gelesen hatte:

  - Wer keine Hilfe annehmen möchte, möchte auch nicht das sich etwas ändert.
Dann kann man auch gleich Eiswürfel in die Sonne legen und darauf hoffen das sie nicht schmelzen.

Jisung ist ehrlich, so genau versteht er den Spruch nicht, doch interpretiert er es jetzt einfach in seine Situation hinein.
Wieso auch nicht?
Dazu sind solche Zitate schließlich da, nicht wahr?
Er lehnt sich zurück, sieht seine Therapeutin an.
Sie hatte sich anscheinend die Haare gefärbt, denn sie sind nun heller als vor drei Wochen.
Und auch scheint sie etwas glücklicher auszusehen.
"Sie schauen glücklicher aus.", sagt er, weshalb sie ihn überrascht ansieht.
"Tue ich das?"
"Ja, dazu sind ihre Haare heller als beim letzten Mal. Und ihr Stift ist neu."
Leicht muss sie schmunzeln, kann gar nicht anders.
Immer wieder wird sie von ihrem Patienten überrascht.
"Du bemerkst die kleinsten Dinge, nicht wahr, Han Jisung?"
"Ich beobachte alles um mich herum gerne. Es ist interessanter als mit den Menschen zu reden. Ich mag es nicht zu reden."
Und das sagt er in jeder einzelnen Therapiestunde.
Er hatte nun ein Jahr lang schon Therapie bei Hwang Yeri und trotz allem weiß sie nichts von seinen eigentlichen Problem.
Er stellt sich stur und redet nicht über das was ihn belastet, dabei würde Yeri wirklich nur zu gerne wissen was in dem Kopf des siebzehnjährigen vor sich geht.
Nur wie kommt sie an ihn heran?
Im ganzen letzen Jahr hat sie alles mögliche versucht um durch seine hohe Mauer zu kommen, doch schafft sie es nicht, dass er sich ihr anvertraut.
Er ist ein harter Brocken.
Jisung sieht sich im Raum um, bemerkt das die Blumen ausgetauscht wurden.
Wahrscheinlich waren die anderen schon wieder verwelkt.
Seine Therapeutin ist unglaublich unbegabt was Pflanzen angeht.
"Sie sollten sich keine Pflanzen mehr zu legen. Dann würden Sie auch Geld sparen."
Leise lacht sie, legt eine Hand auf ihren Bauch.
Etwas was Jisung im Augenwinkel mit bekommt, da er noch damit beschäftigt ist sich im Zimmer um zu sehen.
"Möchtest du mir nicht erzählen was in deinem Kopf vor sich geht?"
"Zu viel Chaos. Etwas was ich selbst nicht mehr durch blicken kann.", sagt er nur.
Doch überrascht es Yeri merkbar.
"Wie wäre es dann wenn du es versuchst mir zu erklären, mhm? Vielleicht würde es das Chaos lichten."
"Ich denke nicht, dass es das tun würde. Davon Mal abgesehen würde es Sie genauso verwirren wie mich und dann sitzen zwei überforderte Menschen in diesem Raum. Wer therapiert uns dann?"
Leise lacht sie, schreibt etwas in ihrem Notizblock.
"Wieso versuchst du es denn nicht einmal, Jisung? Vielleicht überrasche ich dich ja und kann etwas von deinem Chaos lichten?"
"Ich denke nicht, aber danke für das Angebot. Nur werde ich es hiermit, so freundlich wie ich halt bin, ablehnen."
Yeri seufzt innerlich, streicht weiterhin über ihren Bauch.
Eine Geste welche sie unterbewusst macht, nicht einmal mit bekommt.
"Was machst du gerne, Jisung?"
"Menschen beobachten und schreiben.", sagt er dann nach ein paar Sekunden des nachdenkens.
"Wie wäre es dann, wenn du dir ein Notizbuch nimmst und ein Stift und einfach einmal versuchst deine Gedanken und Gefühle in Worte zu verfassen?
Vielleicht hilft das ja dein Chaos zu lichten. Schreib ein paar kleine Poems oder auch Texte. Es wird dir helfen."
"Und wenn nicht?"
"Dann werden wir einen anderen Weg finden damit du mit allem klar kommen wirst."
Sie blickt zu seinen Unterarmen, welche, Mal wieder, verbunden sind.
"Du bist rückfällig geworden."
"Und Sie sind Schwanger.. Glückwunsch."
Sie lächelt sanft, weiß genau das er ablenken möchte.
Schließlich redet er nicht gerne über sich.
Eigentlich redet er allgemein nicht gerne.
Aber noch weniger redet er über sich selbst.
"Hast du Freunde an deiner neuen Schule gefunden?"
Seufzend lässt Jisung den Kopf in den Nacken fallen, starrt an die Decke.
Er hasst diese Fragerei.
Wieso ist er nur hergekommen?
Er hätte auch einfach wieder umdrehen und gehen können, sobald seine Mom außer Reichweite gewesen ist.
Und doch sitzt er seiner Therapeutin, Hwang Yeri, gegenüber und lässt die Stunde über sich ergehen.
Doch fand er ihre Idee mit dem Schreiben eigentlich gar nicht einmal so blöd.
Vielleicht würde er zu Hause einmal ausprobieren.
Vielleicht würde es ihm ja tatsächlich etwas helfen.
Wenn das Wörtchen vielleicht nicht wäre.
Ein Wort welches sein gesamtes Leben bestimmt.
Genauso wie die Angst und seine Stimme im Kopf.
"Beantwortest du noch auf meine Frage, Jisung?"
"Ich verstehe den Sinn hinter Freunden nicht. Wieso sollte ich mir Freunde suchen? Menschen kommen und gehen immer und immer wieder. Sie bleiben nicht bei jemanden. Und dann...dann vertraut man einem Menschen und boom er ist weg. Also nein, ich habe keine Freunde an meiner neuen Schule und nein, ich möchte auch keine Freunde. Wäre nur zu viel Arbeit."
"Natürlich werden Menschen kommen und gehen, Jisung. Das werden sie immer. Doch manche werden ein Geschenk sein und andere eine Lektion, aber genau so funktioniert das Leben. Es ist wie ein Spiel und es bringt nichts, wenn du dich nur in dein Zimmer verkriechst und hoffst das alles so enden wird. Du brauchst Menschen in deinem Leben, denn auch wenn es dich enttäuschen wird. Ein Mensch ist ein soziales Wesen und ohne andere Menschen wird er verkümmern. Und das tust du.
Du verkümmerst."
Jisung zuckt nur mit den Schultern, sieht zur Uhr.
Nur noch fünf Minuten.
Gott sei dank.
Er möchte nur noch nach Hause.
Zurück in sein Bett, seine Musik anstellen und versuchen alles zu vergessen.
Etwas was einfacher gesagt ist als getan.
Er kann nie etwas vergessen.
Alles bleibt in diesem Chaos stecken.
"Ich gebe dir eine Aufgabe bis zum nächsten Mal, Jisung. Ich möchte das du alles was dir in den Kopf kommt aufschreibst und es mir nächste Woche gibst."
"Und wenn ich es nicht möchte?"
"Jisung."
"Okay, okay. Ist gut. Ich versuche es jedenfalls, aber versprechen werde ich ganz sicher nichts."
Sie lächelt sanft, beobachtet wie der siebzehnjährige aufsteht und seine Sachen nimmt.
"Und ich hoffe du machst dir bald Freunde. Wir sehen uns nächsten Freitag. Zur selben Uhrzeit wie immer...nur halt Freitag."
"Niemals werde ich mir noch einmal Freunde suchen."

  - Noch einmal ertrage ich diesen ganzen Schmerz nämlich nicht. Beim letzten Mal hat es mich schon fast komplett zerstört.

Dann verlässt er den Raum ohne sich zu verabschieden, aber das hat er noch nie in dem ganzen letzten Jahr.
Wozu sollte er auch?
Er würde sie ja eh wieder sehen. Vielleicht verabschiedet er sich, wenn er irgendwann fertig mit der Therapie ist.

Eine halbe Stunde später ist er Zuhause und googlet erst einmal was ein Poem ist, erfährt das am einundzwanzigsten März der Welt Poesie Tag ist und dazu liest er einige Gedichte über die verschiedensten Themen, aber etwas fällt ihm auf.
Es gibt so viele Gedichte, Sprüche, Texte, whatever über die Liebe, Freundschaft, Geburtstage und auch über Depressionen, aber was ist mit den anderen psychischen Krankheiten?
Wieso sind die meisten Gedichte eigentlich so glücklich?
Natürlich gibt es auch, wie schon erwähnt, traurige und mit Depressionen, aber das sind nicht einmal zwanzig Prozent von den Poems.
Nichts gegen liebe und Freundschaft, aber man kann auch weitaus wichtigere Themen als diesen Schwachsinn ansprechen mit so etwas.
Das ist etwas was Jisung schon immer tun wollte.
Er wollte Themen ansprechen, Menschen damit aufmerksam machen und irgendwie die Welt zu einem besseren Ort machen.
Das wollte er schon immer, doch hat er sich noch nie getraut so etwas ähnliches zu tun.
Er beißt sich auf die Lippe, sieht auf seinen Computer, wechselt von den Poems auf seine Schulseite um dort seine Hausarbeit einzureichen.
Dann fällt ihm etwas ein, sie haben ein Schulforum wo die meisten sich unterhalten oder sich gegenseitig Hausaufgaben zu schicken.
Oder einfach um über die Lehrer zu lästern.
An sich etwas was Jisung niemals freiwillig Beitritt und sich auch niemals anmelden würde, doch gerade in diesem Augenblick macht er es.
Er meldet sich an, unter dem Pseudonym eines Engelsnamen: Castiel
Und nein, das liegt jetzt nicht an der Serie supernatural, er liebt diesen Namen einfach. Genauso wie Ithuriel.
Aber wenn man es so sehen möchte, er liebt jeden Fantasy Shit an Serien und Filmen.
Als erstes wollte er den Pseudonym Harry Potter und dann Newt nehmen, (unkreativ asfuck) aber nun ist es Castiel.
Egal, weiter im Text:

Kaum ist er damit fertig, fängt er an zu schreiben.
Auch wenn er selbst noch nicht weiß was ihn zu dieser Motivation und diesem Mut geritten hat.
Aber vielleicht findet er es ja noch heraus.

//Keine Menschenseele an dieser Schule kennt mich und trotzdem fange ich jetzt an zu schreiben. Nur was versuche ich hier eigentlich? Ich weiß es selbst nicht, trotzdem tue ich es gerade.
Vielleicht um irgendwas zu bewirken.
Vielleicht um Menschen zum Nachdenken an zu regen.
Dumm das auf einem Schulforum zu machen, ich meine, wer interessiert sich hier von schon, nicht wahr?
Es ist doch egal was ein siebzehnjähriger Junge aus Seoul denkt oder fühlt.
Und doch schreibe ich das alles hier gerade auf, weil ich versuchen möchte die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Etwas was lustig ist, denn die Welt und die Menschen darin haben mir nur leid angetan.
Und trotzdem möchte ich diese Welt besser machen, damit es anderen Menschen besser geht.
Also was werde ich hier versuchen?
Oder besser gesagt, was versuche ich hier eigentlich?
Ich möchte Poems schreiben über die wichtigen Themen im Leben, Themen die wir Jugendlichen zu wenig ansprechen oder einfach nur ignorieren, weil die älteren Generationen sagen das wir uns nicht so haben sollen.
Dabei sollten sie uns anhören, sollten uns zu hören, wenn unsere Generation ist die die das alles endlich erst zum Vorschein bringt, es nicht mehr ignoriert und unterdrückt.
Es muss mehr über die ganzen Themen gesprochen werden. Wie zum Beispiel, Depressionen, Angstzustände, Panikattacken, Stress, Borderline, Selbstverletzung und so vieles mehr.
Es gibt wichtigere Themen als der scheiß Pythagoras oder wer 1706 an der Pest verreckt ist. Was juckt mich das?
(Obwohl Geschichte toll ist. Don't jugde me)
Doch müssten wir mehr über die Welt lernen, wie wir in dieser überleben sollen und nicht wie ich den Volumen eines Dreieck berechne.
Gibt es so etwas überhaupt?
Ich steh fünf in Mathe mit der dentenz zur sechs.
Jedenfalls egal, seht das hier als Einleitung oder so etwas, mir egal. Meinetwegen könnt ihr es auch ignorieren. Wer weiß wie lange ich das hier überhaupt durch ziehen werde, aber bis dahin erst einmal.

Bye Bye

-Castiel//

Und abgeschickt.
Er hat es tatsächlich hochgeladen.
Jisung sieht auf seinen Computer, kann es selbst nicht glauben..
Doch irgendwie..
Irgendwie ist er extrem Stolz auf sich.
Und das zeigt auch sein leichtes lächeln, welches er nach so langer Zeit wieder auf den Lippen trägt.
Vielleicht hat Yeri Recht und das hier wird ihm helfen.
Jedenfalls hat er es im Gefühl das es so einiges in seinem Leben verändert wird.
Hoffentlich im positiven Sinne.

Star lost (Minsung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt