Für immer

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"Es ist vorbei, mi rosa", flüsterte er in mein Ohr. Ich glaubte ihm kein Stück. Morden ist ein Gewohnheit, die nur schwer abzulegen ist. Natürlich kannst du es versuchen, aber letztlich wirst du scheitern. Warum? Weil du mit der Zeit lernst, das Morden zu lieben. Es ist eine Art der Aggressionsbewältigung, wenn du so willst. Zwar gibt es als erstes unterschiedliche Ursachen, warum jemand anfängt zu morden, doch einmal angefangen, ist worden wie eine Droge, die dich nicht mehr los lässt. Du willst mehr, immer wieder diesen einen Moment erleben, wenn du das Leben aus den Augen deines Opfers entweichen siehst. Entweder du bist Erlöser oder Bestrafer. Aber all das sagte ich Leylan nicht. Stattdessen umarmte ich ihn. "Ich weiß", versicherte ich ihm. "Ich weiß."

Einen Mörder zu lieben ist nicht leicht und doch das einfachste auf der Welt. Er ist schließlich ein ganz normaler Mensch nur ist unsere Beziehung wie Russian Roulette. Ich wusste nie, wann er den Abzug ziehen würde, ob er es überhaupt tun wird.

Ich konnte Leylan atmen hören, so nah wat er mir. Seine Arme hatte er um meine Taille geschlungen, sein Kopf lag auf meiner Schulter. Vielleicht hatte ich mich geirrt und Leylan war in Wirklichkeit ein erwachsenes Kind. "Ich habe oft an dich gedacht, an uns", murmelte er. "Rosen sind am schönsten, wenn deine Geliebte sich über ihre Schönheit freut." Ich lachte leicht. "Lügner. Rosen sind am schönsten, wenn du sie auf die Leichen deiner Opfer legst und sie einen Kontrast zur bleichen Haut der Toten bilden!" "Hmmmmm." Leylan dachte einen Moment über meine Aussage nach. Dann nahm er den Kopf von meiner Schulter und schaute mich an. Blaue Augen trafen auf brauen. "Du bist schöner als eine Leiche."

Leylan sagte es mit so einer Ernsthaftigkeit, dass ich nicht anders konnte, als nun endgültig loszulachen. "Danke, das Kompliment höre ich dich immer wieder gern", brachte ich unter Gelächter heraus. "Warum "immer wieder"? Wer macht dir denn bitte noch solche Komplimente?" Die zweite Frage war eher eine Drohung als eine Frage.

Leylan hatte seine Augen zu Schlitzen verengt und schaute mich finster an. Aber genauso schnell wie sich seine Augen verengt hatten, weiteten sie sich wieder. "Es ist unmöglich, dass dir jemand solch ein Kompliment macht. Unmöglich, wo ich doch allen potentiellen Gegnern extra einen freundlichen Drohbrief geschrieben habe a la Fuck off oder Head off."

An dieser Stelle beschloss ich, seine Aussage als Witz zu sehen. Auszuschließen, dass er die Wahrheit sagte, war aber nicht. "Ley, dein Charm haut mich immer wieder von den Füßen. Hättest du mich nicht gehalten, ich wäre glatt gefallen." "- für mich!" Verschmitzt grinste Leylan mich an. Ich rollte nur genervt meine Augen.

"Abal, Liebling." Leylans Stimme war sanft, liebevoll und so, als wollte er etwas von mir. "Darf ich dich küssen?" Consent. Hot. Ich sagte ja. Mit dieser Stimme würde ich alles für ihn tun. Sogar seine Leichen vergraben.

Leylans Kuss war leicht. Zuerst. Dann wurde er leidenschaftlicher. Unsere Lieben verschmolzen zu einem gemeinsamen Etwas. Im nächsten Moment war der Kuss vorbei. Unzufrieden schaute ich Leylan an. "Du bist ein Arsch und du weißt es. Jetzt lass mich los. Ich hab Hunger", warf ich ihm schmollend an den Kopf. Aber anscheinend war genau das, das, was Leylan hören wollte. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem frechen Grinsen und eine seiner Hände tätchelte behutsam meinen Kopf. "Nicht weinen, Liebling. Ich hab Schokolade." Und damit hatte er mich.

Es gibt nicht besseres als Schokolade an einem regnerischen Tag. Allerdings muss der Tag nicht unbedingt regnerischen sein. Es kann auch 40 Grad draußen haben. Schokolade geht immer.

"Clever, wirklich clever. Gib mir die Schokolade!" Bei Schokolade verhandelte ich nicht. Das habe ich noch nie getan und für Leylan würde ich nicht damit anfangen. "Du bist so vorhersehbar, mi rosa." Leylan hatte immer noch dieses süffisante Lächeln auf den Lippen, das mich langsam anfing, wütend zu machen.

"Vergiss es", meinte ich, "ich hol sie mir selber." Doch ehe ich mich versehen konnte, hatte Leylan mich an der Hüfte gepackt und mich zum Sofa im Wohnzimmer getragen. "Warte kurz, bitte." Leylan schaltete den Fernseher ein, nachdem er knappe 40 Sekunden gebraucht hatte, um die Fernbedinung zu finden. Sie lag unter einem Stapel alter Zeitschriften, alle mit fast identischer Schlagzeile: "Leichen über Lodon - Es regnet Rosen des Todes"

In den Artikeln hatte ich nach Zeichen gesucht, dass Leylan mich nicht vergessen hatte. Ich hatte keine gefunden. Der perfekte Mord existiert eben doch.

"Du hast sie gesammelt, meine Rosen", stellte Leylan erfreut fest, als er die Zeitungsartikel auf dem Couchtisch entdeckte. "13 Morde, 13 Rosen", bestätigte ihn der Fernsehmoderator im Hintergrund. "Wer sich hinter den Morden verbirgt noch immer unklar. Doch nun könnte die Polizei eine neue Spur haben." Neben mir lächelte Leylan sein verschwörerisches Lächeln. "Es ist mein Meisterwerk!", beteuerte er.

Der Fernsehmoderator wurde durch eine Außenreporterin ersetzt. Unsicher suchte mein Blick Leylans. Was sollte das?

Ich schien nicht die einzige zu sein, die sich das fragte. All die Zeit hatte ich mir eingeredet, Leylan zu kennen. Dabei hatte ich ihn gerade mal ein paar Wochen gekannt, bevor er wieder verschwunden war. Konnte ein Mensch sich so schnell in einen anderen verlieben? Oder war es in meinem Fall eher das Verlangen, unbedingte Liebe zu erfahren, dass Leylan so anziehend machte. Ich wusste es nicht.

Vor mir auf dem Fernseher änderte sich erneut die Szenerie. Was die Nachrichtensprecherin gesagt hatte, hatte ich größtenteils nicht mitbekommen. "Es ist für dich. Ein Kunstwerk aus Rosen und Blut", riss mich Leylan aus meinen Gedanken. Vor mir auf dem Fernseher zeigten die Kameras die weiße Hauswand eines kleinen Hauses, die nun nicht mehr so weiß war. Mit blutroter Farbe, wenn nicht sogar richtigem Blut, wie Leylan angedeutet hatte, hatte er eine gigantische Rose an die Wand gemalt. Einzelne Blätter fielen schon ab und leiteten den Blick zum Boden des Werkes. Vor diesem lagen genau 13 Rosen und formten die Worte "Mi rosa".

Ich starrte das Kunstwerk einige Minuten stumm an. Dann wanderte mein Blick zu Leylan, der mich zu beobachten schien. "Ich weiß, ich sollte Künstler werden", versuchte er die Stimmung aufzuheitern. Als er merkte, dass es nicht klappte, kniete er sich vor mich. "Hey. Du musst nichts dazu sagen, okay?", flüsterte er sanft. "Wir haben Zeit."

Mein Blick flog noch einmal kurz zum Fernsehen, wo noch immer die Hauswand gezeigt wurde. Leylan musste mich nicht fragen, ob ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen wollte, sein Gemälde sprach für sich. Denn in der Knospe der Rose, umrahmt von Blättern, waren zwei Herzen durch Dornen vereint.

Es war kein Heiratsantrag, dafür war es noch zu früh. Es war eine Drohung und ein Versprechen zugleich.

"Du und ich für immer", flüsterte ich.

RosenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt