Kapitel 7 - Die Verfolgung

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Die nächsten Tage verbrachte ich damit, das Gespräch mit meinem Vater zu verarbeiten. Ich beobachtete ständig, ob ich ihn noch einmal allein abpassen konnte, um noch mehr zu fragen und ein paar meiner Wissenslücken zu füllen. Es war wie verhext, denn immer war entweder Mutter und Rachel dabei oder er hatte es gerade eilig.

Als ich am Freitagnachmittag von der Schule nach Hause kam, guckte ich, zur Abwechslung mal erfolgreich, in die Luke des Briefkastens. Darin war ein weißer, dicker Umschlag. Er musste einfach für mich sein!

Ich rannte schnell ins Haus und holte den Briefkastenschlüssel vom Schlüsselbrett. Anschließend holte ich den Umschlag aus dem Briefkasten, rannte wieder ins Haus und riss wild den Umschlag auf.

Etwas fiel klirrend auf den Boden und eine Geburtstagskarte spähte aus dem Umschlag. Ich hob eine silberne Kette vom Boden auf, welche einen Lebensbaum als Anhänger hatte, der mit kleinen glitzernden Steinchen besetzt war. Die Kette war wunderschön. Ich umschloss sie fest in meiner Hand und zog die Karte aus dem Umschlag. Auf ihr war ein Froschkönig abgebildet, der einen winzigen Briefumschlag in der Hand hielt.

Bevor ich in den Miniumschlag linste, öffnete ich die Karte und bewunderte die schöne geradlinige Schrift meiner Großmutter Emilia:

'Liebe Mina, wir sind gerade so weit weg von dir, aber fühlen uns dir doch so nah! Wir wären zu deinem Geburtstag gern bei dir, doch hier ist einiges los und wir können uns auch nicht schon wieder einen Flug leisten. Trotz der ständigen örtlichen Distanz, lieben wir dich sehr. Als wir den Anhänger in einem Schmuckkatalog entdeckten, dachten wir er passt zu dir. Erzähltest du doch als Kind immer von deinen Ausflügen in den Wald. Wir wünschen dir viel Glück im neuen Lebensjahr! Im kleinen Umschlag ist ein Zuschuss zu deiner Fahrschule enthalten. Deine Großeltern.'

Opa Theodor hatte seine kleine krakelige Untschrift daruntergesetzt. Ich war sehr gerührt. In dem Umschlag auf der Kartenvorderseite waren 100 Euro. Viel zu viel, wie ich fand. Die Kette war sicher auch nicht billig gewesen. Aber ich freute mich auf eine zusätzliche Ersparnis für die Fahrschule.

Jetzt hatte ich in etwa 1200 Euro für die Fahrschule zusammengespart. Bald könnte ich den Führerschein machen! Ich rief sofort meine Großeltern an und bedankte mich. Auf das Zeigen von Dankbarkeit hatten meine Eltern schon immer viel Wert gelegt. So stand dieser Anruf außer Frage für mich.

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Schnell war unser Gespräch beendet, so setzte ich mich auf das Sofa und versuchte vergeblich, mir meine Kette umzulegen. Jetzt fehlte mir ein zuvorkommender Freund an meiner Seite.

Wenn ich mir einen Traummann aussuchen dürfte, würde ich mich nicht für einen beliebten Partytyp entscheiden. Nein, ich würde mich für einen Gentleman entscheiden. Jemand, der nicht nur mein Äußeres mochte, sondern mindestens genauso sehr mein Innerstes. Er könnte aber ruhig auch ein bisschen verrückt sein und humorvoll, wie ich.

Verlangte ich zu viel?

Gab es überhaupt so einen jemand für mich?

Existierte die wahre Liebe überhaupt?

Mein Handy klingelte und ließ meine schönen Tagträume zerplatzen. Ich kramte mein Handy aus der Schultasche und hob ab. Isabella plapperte munter los:

"Hello again! Daniel zieht um die Häuser, meine Mutter ist auch außer Haus und ich habe Langeweile. Was können wir dagegen machen? Du weißt doch, ich habe Angst allein im Dunkeln."

"Heißt das, du hast auch über Nacht sturmfrei? Da ich ja jetzt nur noch ein Jahr vor der Achtzehn bin, schreibe ich meinen Eltern einfach eine SMS mit vollendeten Tatsachen und packe noch schnell meine Sachen, ok?", fragte ich.

Die flüsternden BäumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt