#30-Ein netter Italiener und Unisextoiletten

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Die Karte vor dem Gesicht, grüble ich hektisch nach was ich nun tun soll. Schließlich kann ich nicht einfach zu seinem Tisch gehen und mich vorstellen. Vorsichtig luke ich hinter meinem Versteck hervor und beobachte wie sich Familie Evenell an einen schönen Tisch niederlässt, der sich weiter hinten in einer Ecke befindet. Jace würde mich also nicht zwangsläufig sehen, nur wenn er sich intensiv umschauen und suchen würde.

Paps ist immer noch dabei sich mit seinem alten Bekannten angeregt zu unterhalten und zeigt keine Motivation irgendetwas anderes in der nächsten Zeit zu machen.

Ich seufze verhalten, lege die Speisekarte neben mir auf den Tisch und lasse meine Haare ein wenig in das Gesicht fallen.

Warum muss er denn jetzt in diesem Restaurant sitzen? Ausgerechnet in diesem! Kurz vergrabe ich den Kopf in meinen Händen und schreie lautlos.

Das ist echt zum Mäuse melken!

Ich beschließe das letzte Geld auf meiner Prepaid Karte zu opfern, eine neue Nummer habe ich noch nicht, um Lu meine brenzlige Situation zu schildern und hoffentlich eine gute, logische Lösung zu bekommen. Lucinda ist Meisterin darin in so einer Situation wirklich klare und sinnvolle Entscheidung zu treffen und Tipps zu geben.

„Paps? Ich möchte euch nur ungern unterbrechen, aber ich würde gerne bestellen, denn ich muss ganz dringend auf die Toilette, schon seit London!" Meine Stimme klingt etwas zu schrill, aber es scheint niemanden wirklich aufzufallen. Papa ist viel zu abgelenkt von den ganzen Kindheitserinnerungen, die gerade alle wieder hochgekommen sind.

„Natürlischhh, was möchtest du denn essen, kleine Lerbach? Das geht selbstverständlich alles aufs Haus. Heute seit ihr meine Ehrengäste!", sagt der alte Restaurantbesitzer, in diesem typisch herzlichen italienischen Akzent. Automatisch fühle ich mich wie zuhause und ein Grinsen schleicht sich auf mein angespanntes Gesicht.

Mein Vater strahlt seinen alten bekannten an und man erkennt deutlich seine immer noch leicht vorhandenen kindlichen Züge, die durch den ganzen Stress seiner Arbeit und dem seiner kranken Mutter immer weiter verschwinden. Ich freue mich so sehr für ihn, dass er diesen schönen Moment erleben darf, dass ich gänzlich übersehen habe, dass Angelo erwartend seinen Block herausgeholt hat und auf meine Bestellung wartet.

Spontan entscheide ich mich anders, als ich geplant habe.

„Ich vertraue dir! Ich möchte mich überraschen lassen. Bring mir Nudeln mit einer leckeren Soße und eine mittlere Apfelschorle!"

Angelo grinst mich mit einem breiten Lächeln an. Und ich bin jetzt schon ganz überrascht und zwar von mir selbst, denn so etwas traue ich mich normalerweise nicht.

„Ich nehme so wie immer und ein großes Bier", bestellt mein Vater so souverän, als würde er hier jedes Wochenende essen gehen. Doch Angelo nickt erfreut und geht, seine Bestellung notierend, Richtung Tresen.

„Wo sind die Toiletten?", frage ich Paps schnell, der mir sofort mit einer Handbewegung die Richtung zeigt und dann sein Handy aus seiner Jeans zieht. Schon unfair, wenn dein Vater ein cooleres Handy hat als du.

Ich gucke in die Richtung, in die  ich gehen muss und halte automatisch die Luft an.

Das kann doch nicht wahr sein?! Als hätte ich es nicht anders erwartet.

Die Toiletten liegen fast genau hinter dem Tisch, an dem Jace mit seiner Familie sitzt.

Warum auch nicht. Bin ja nur ich, Schicksal! Danke.

—-

„Ich glaube er hat mich nicht gesehen!", antworte ich Lu durch meinen Handylautsprecher hindurch.

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