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~*~
Gegenwart

Regungslos stand ich da und wieder einmal fehlten mir die Worte. Mein Blick galt dem Boden, ich konnte ihn nicht ansehen, denn ich fürchtete in Tränen auszubrechen, wenn ich auch nur eine Sekunde in sein völlig enttäuschtes Gesicht schauen würde. Ich kannte ihn nun seit fünf Jahren, und noch nie hatte ich ihn so sauer erlebt. Nie schrie er, zeigte solche Gefühle oder war so in Rage, ließ seinen Dampf ab. Dieser Anblick war neu, ich wusste nicht damit umzugehen, weshalb ich lieber hilflos auf den Boden sah, als ihm meine Aufmerksamkeit zu widmen. Mann, was tat ich hier eigentlich?

Die ganzen vier Jahre habe ich mich darauf verlassen, was er mir sagte, was er mir vor Augen legte, und was er mir schenkte. Nie auch nur habe ich einen Gedanken daran verschwendet, was ich dazu beitragen könnte. Ja, ich wollte nicht, dass er so viel Geld für mich ausgab, mich mit den Scheinen fütterte - aber schließlich tat er das, weil ich ihm keine Wahl gelassen hatte. Ich war so geblendet und darauf konzentriert alles Ferne zu betrachtet, dass ich die Leute nahe um mich herum vergaß, und so auch ihn. Ich wollte viel, viel zu viel. Erwartete zu viel und machte zu wenig. Er liebte mich, ich liebte ihn, doch wir achteten nicht aufeinander; ein Tabu in jeder Beziehung. Er nutzte meine geschickten Hände aus, egal aus welchem Grund, und ich übertrieb es und verschleuderte jedes Geld, was eingebracht wurde. Ich war der Inbegriff von Verschwendung. Ich war daran schuld, dass alles nun so war, wie es war.

Also warum konnte nicht alles wieder so sein wie früher? Ich könnte meine eigene Schuldigkeit eingestehen und zu ihm zurückkehren, würde meine Schulden nicht mehr tragen müssen und könnte wieder das Leben an seiner Seite führen. Aber was war, wenn ich zu sehr an die Linie trat? Dann wäre all die Mühe um meinen Kampf gegen die Sucht umsonst gewesen, wenn ich wieder zurückfiele. Andererseits müsste ich mich auch niemals wieder um Geld sorgen müssen. Ich könnte mit der Person leben, die ich liebte, zu lieben gelernt habe. Doch war es das Risiko wert? Was sollte ich tun? Trotz alle dem hat er mich benutzt. Er wusste, dass ich süchtig war, aber er tat nichts dagegen und unterstützte meine Sucht sogar, kam für meine Schulden auf und brachte mich mit den begehrtesten Spielern an einen Tisch, ließ mich gegen sie antreten.

Dank seiner Hilfe erlangte ich den Status, den ich mir als frühreifes Dorfkind nur in Träumen wagte zu träumen. Ich war glücklich.

Doch auch hier verspürte ich solche Gefühle. Ich liebte es hier zu sein; ich sah meine Freunde jeden Tag, konnte einer einfachen Arbeit nachgehen und mich abends entspannt unter die Dusche in meinem eigenen Wohnung stellen, um dann völlig müde in mein eigenes Bett zu fallen. Ich liebte diese Einfachheit, ich vermisste sie durch den ganzen Trubel und war dankbar, als ich sie wiederhatte. Wer wusste, was geschehen würde, wenn ich das wieder aufgab.

„Ich weiß, aus welchen Gründen du das getan hast. Ich weiß auch, dass es dir leid tut und du es nur gut gemeint hast. Man mag es nicht glauben, aber in den wenigen Jahren, die ich bisher mit dir verbringen durfte, habe ich so einiges aufgeschnappt und weiß ungefähr, was in dir vorgeht. Aber als ich dann erfuhr, was du hinter meinen Rücken machtest, war ich einfach nur enttäuscht. Nicht nur, weil du mich ohne mein Wissen benutzt hast. Auch, weil du damit anderen geschadet hast, die nichts mit uns zu tun hatten. Du besitzt Unmengen an Geld, und nun wolltest du auf diesen Weg noch mehr davon herschaffen? Levi, du warst es, der meinte, dass er nicht noch mehr Geld brauche, weil er schon so vieles hat.

Aber ja, du hast recht. Ich habe nicht darauf geachtet, was du brauchst. Ich habe immer nur verlangt und gewollt, habe mich auf dich verlassen. Wenn ich essen war, überließ ich dir die Rechnung; wenn ich shoppen war, wurde das Geld von deinem Konto abgezogen. Ich bin auf meine Kosten gekommen, dich habe ich am Straßenrand stehengelassen. Und das tut mir leid. Ich hätte aufmerksamer sein sollen. Bitte verzeih mir."

Mister Ace of Spades [Ereri Shortstory]Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora