Kapitel 147

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Marco's Sicht:

"Ich wette die pennen." sagte ich gerade, als wir durch die Katakomben liefen. Es war halb 4 Uhr morgens, aber es ging leider nicht anders, weil Mo und Leo die Schlüssel nicht länger beschlagnahmen konnten. "Ich glaub die sind wach und warten nur darauf, dich bei der Polizei anzeigen zu können." mischte sich Mo ein. "Und ich glaube die sind längst draußen, weil sie einfach nur so schlau waren, mit dem Handy jemanden anzurufen, der sie befreit." verdarb Leo wieder alles. Ich verdrehte nur die Augen. Wir standen vor der Kabine, ich ließ mir von Leo die Schlüssel reichen und steckte sie so leise wie möglich ins Schloss. Als Zeichen für Leo und Mo legte ich den Finger auf meine Lippen, bevor ich die Tür langsam aufschob. "Von wegen schlau." flüsterte ich. Leo und Mo folgten mir in den Raum. "Alter." meinte Mo nur, der den Blick ebenso über die auf dem Boden überall verteilten Klamotten schweifen ließ, wie ich es tat. "Hätte ich nicht gedacht, dass so ein bescheuerter Plan aufgeht." kommentierte Leo ebenfalls im Flüsterton. "Äh Leute." zischte Mo, der bereits über ein paar Kleidungsstücke hinweg gestiegen war. Wir sahen zu ihm rüber. "Ich wusste es." grinste ich und begab mich zu Mo auf die andere Seite des Raums. Ich holte mein Handy hervor und leuchtete mit dem schwachen Schein des Displays auf die Beiden, weil das einzige Licht vom erhellten Gang herein drang. Mario ratzte an die Wand gelehnt auf dem Boden, Nell halb auf ihm liegend und natürlich ebenfalls schlafend. Beide waren in Decken gehüllt, aber bei Nell bedeckte sie nur ihren halben Körper, weil sie sich offenbar zu Mario gedreht hatte. Ihr Hintern und ihre Seite waren freigelegt. "'Nen geilen Arsch hat sie auf jeden Fall." meinte Mo. "Nicht nur der Arsch." stimmte auch ich zu. Ich ging vor ihnen in die Hocke. "Macht mal einer das Licht an?" bat ich. Leo übernahm das und kurz darauf sprang das Licht an. Keiner von beiden regte sich, Ich sah zu Leo und Mo auf. "Dieser Moment, wenn du genau weißt, dass dein bester Freund gerade deine beste Freundin durchgenommen hat." grinste ich nur. Da ich Mario's Tiefschlaf zu gut kannte, versuchte ich es bei Nell. Ich legte meine Hand also auf ihre nackte Wade, worauf sie auch schon blinzelte. Als sie mich dann erblickte, schrak sie hoch. Sie zog zu allererst die Decke über ihren Körper. "BIST DU-..." wollte sie mich schon anschreien, bevor ihr dann auffiel, dass ihr geliebter Mario schlief. "Bist du bescheuert?!" fauchte sie mich dann an. "Shhh, nicht ausrasten. Wovon genau sprichst du?" fragte ich unwissend. Sie sah kurz zum nichts ahnenden Mario auf und richtete sich auf, die Decke an die Brust gedrückt. "Zuerst sperrst du uns hier ein und dann müsst ihr zu allem Übel auch noch mitten in der Nacht hier aufkreuzen! Habt ihr vielleicht eine Sekunde darüber nachgedacht, wie wir uns fühlen?!" zischte sie. "Aber ihr hattet Sex." konterte ich triumphierend. "Sex, bei dem uns jemand hätte erwischen können und dann wäre ich auf jeden Fall beim DFB rausgeschmissen worden." erwiderte sie. Okay, zugegeben, daran hatte ich keinen Gedanken verschwendet. Ich senkte kurz den Blick und wandte mich dann hilfesuchend an Mo und Leo. "Und ihr macht da auch noch mit." murmelte Nell gleich darauf. Sie war wirklich sauer. "Geht ihr bitte raus?" murrte sie. Ich sah sie an. "Wir wollten nur helfen." nuschelte Mo. "Raus." meinte sie nun energischer und etwas lauter. Nach kurzem Zögern bewegten sich die Beiden Richtung Tür. Mein Blick war weiterhin auf Nell gerichtet. Streit war das Letzte, was ich mit ihr wollte. Was, wenn Mario ihre Meinung vertrat? "Du auch." forderte sie mich extra noch einmal auf. Ich zögerte, dann erhob ich mich und verließ die Kabine.

Mario's Sicht:

"Mario, wach auf." nahm ich ihre Stimme wahr. Sie nahm eine Hand von meiner Wange, schniefte leise und als sie ihre Hand wieder an mein Gesicht legte, spürte ich etwas nasses. "Mario." wiederholte sie, ihre Stimme klang rau. Ich blinzelte langsam. Als sie dies bemerkte, ließ sie mich sofort los und wandte sich ab. "Nell? Wie spät ist es denn?" fragte ich und setzte mich aufrecht hin. Sie hatte ihre Unterwäsche angezogen und hob nun hinter sich das Trikot auf. "Mitten in der Nacht, Leo, Mo und Marco warten draußen." erklärte sie knapp, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Ich hörte doch das Verheulte in ihrer Stimme, und wie sie immer wieder über ihr Gesicht wischte und dabei schniefte. "Nell, schaust du mich mal bitte an." verlangte ich. "Mario bitte, wir haben jetzt keine Zeit für sowas." wimmelte sie mich ab. Sie wollte aufstehen, um ihre Jeans aufzusammeln, wobei ich sie dann aber am Handgelenk festhielt. Sie kämpfte nicht lange dagegen an und saß kurz darauf auf meinem Schoß. "Warum weinst du, verdammt?" fragte ich unruhig. Ich strich ihr durchs Haar und sah sie eindringlich an. "Haben die drei dich geärgert? Blöde Sprüche abgelassen?" wollte ich wissen. Sie wandte wieder ihr Gesicht ab, ich zwang sie, mich anzusehen. "Ich bin mit Marco aneinander geraten, hab ihn angeschnauzt, weil sie sich es nach der Aktion auch noch herausnehmen, hier reinzuplatzen. Ich war nicht einmal richtig zugedeckt, verstehst du? Marco hat mich einfach angetatscht, damit ich aufwache." gab sie zu. "Wo?" hakte ich sofort grimmig nach. "Nur am Bein, an der Wade, aber ich bin so erschrocken und dann habe ich ihn eben angezickt." meinte sie. Möglichst sanft wischte ich ihr die Tränen aus dem Gesicht. "Ich rede mit ihm." versprach ich ihr. Zweifelnd sah sie mich an. "Komm, zieh dich an." forderte ich sie auf. Ein letztes Mal schniefte sie, nickte und erhob sich. Wir zogen uns an und ich ließ noch die letzten Überreste verschwinden, indem ich die benutzten Handtücher und Decken in den Wäschekorb warf. Dann nahm ich ihre Hand und verließ mit ihr die Umkleide. "Geh schonmal vor, ja?" sagte ich zu ihr und gab ihr einen Stups in die entsprechende Richtung, als Marco, Mo und Leo auf uns aufmerksam wurden, die ein paar Meter weiter auf dem Flur standen. Marco nahm schon ihre Verfolgung auf. "Nell, warte mal!" rief er ihr hinterher, als ich nach seinem Unterarm griff und ihn zurück schob. "Wieso haut sie denn ab?" fragte er besorgt und irgendwie auch schuldbewusst. Ich wartete ein paar Sekunden, bis ich mir sicher war, das Nell außer Hörweite war. "Ich möchte, dass du aufhörst, meine Freundin zu betatschen." sagte ich. Schockiert sah er mich an. "Ich würde sie nie anfassen! Wie kommt sie auf so einen Blödsinn? Leo, Mo, ich habe sie doch nirgends berührt, was irgendwie zu intim wäre, oder?" suchte er bei den beiden verzweifelt eine Bestätigung, die er durch einstimmiges Nicken bekam. "Als ob ich meine beste Freundin angrapsche!" verteidigte er sich nochmals, die Augen schon beinahe mit Tränen gefüllt. Er litt unter einem solchen Vorwurf. Ich hob beruhigend die Hände. "Das habe ich auch nie behauptet. Und ich traue dir das schon gar nicht zu. Aber diese einzige Berührung hat ausgereicht, dass sie weint." sagte ich. "Sie...sie weint? Aber wieso? Ich habe sie doch bisher immer mal irgendwo berührt." sprach er weiter. "In der Zwischenzeit wurde sie aber fast vergewaltigt und von ihrem Vater krankenhausreif geprügelt. Sie hat Angst Marco, ist schreckhaft, das weißt du doch." trichterte ich ihm ein. Er senkte den Blick. "Ich wollte ihr doch keine Angst machen, man." murmelte er. Ich öffnete gerade den Mund, um ihm gut zuzusprechen, als ein Geräusch erklang, das nicht meinen Stimmbändern entsprungen war. Ein Schrei. Nell's Schrei. Ich verwarf alles und rannte los. Nie, nie in meinem Leben war ich je schneller als Marco gewesen, nur jetzt. Ich raste durch den langen Gang und bog schleifend um die Ecke. "Woow, ganz ruhig, ich hab doch gar nichts gemacht." "Emre?" stieß ich außer Atem hervor. Er sah mich verdutzt an, als schließlich auch die anderen um die Ecke bogen. "Ich bin nur erschrocken. Es ist alles...alles ok." presste Nell hervor. Mit fragendem Blick wandte ich mich an Emre. "Ich war noch mit ein paar Leuten unterwegs und als ich zurückkam, um mein Auto zu holen, hab ich das Licht gesehen und wollte nachsehen. Ich bin im halbdunkel hier gelaufen und hab sie gesehen, aber sie hat auf den Boden gestarrt, da wäre sie beinahe gegen mich geprallt. Was macht ihr überhaupt alle hier?" plapperte er drauf los. Ich riss meinen Blick von Nell los und sah die anderen Hilfesuchend an. "Was vergessen." meinte Leo. "Aha und was?" fragte er mit einem verstörten Seitenblick zu Nell. "Autoschlüssel." ergänzte Mo. Emre lachte verunsichert auf. "Kommt fast so, als hättet ihr sie alle drei zu irgendwas gezwungen. Dass ich dich mal noch so still erleben darf." scherzte er und blickte auf Nell herab, runzelte dann aber leicht die Stirn. Ich sah es im selben Moment wie er. Nell hatte einen überaus deutlichen Knutschfleck am Hals. Ich ging auf sie zu und wollte sie weiterschieben. "Wir gehen dann mal, was?" hetzte ich. "Bleib stehen." hinderte mich Emre daran. Langsam drehte ich mich um. Er trat einen Schritt auf Nell zu, hob ihr Kinn und drehte es nach links. "Was ist das?" fragte er bedrohlich. Nell schlug seine Hand weg. "Allergie." murmelte sie. Emre schnaubte. "Allergie. Sicher. Jungs, bei sowas hört es auf. Ihr sagt mir jetzt sofort, was ihr ihr angetan habt, oder ich rufe die Polizei." Mir klappte der Mund auf. "Denkst du etwa, wir hätten sie vergewaltigt?! Zu dritt?" wollte ich wissen. Er presste die Lippen aufeinander, holte aber schließlich sein Handy hervor. Panisch sah ich die anderen an. Bis Nell die Hand ausstreckte und Emre daran hinderte. Er sah sie mitleidig an. "Du musst das melden. Ich glaube es ja selbst nicht." meinte er. "Mich hat niemand vergewaltigt. Leo, Mo und Marco haben Mario und mich aus Spaß in die Kabine gesperrt und ja, wir hatten da drin Sex." Auch wenn das nicht die ganze Wahrheit war, es war eine plausible Ausrede. Ich lief trotz allem rot an und kratzte mich am Hinterkopf. Emre sah uns ungläubig an, ließ das Handy aber in der Hosentasche verschwinden. "Im Ernst jetzt?" hakte er nach und musste sich dabei das Lachen verkneifen. "Brauchst du das Kondom als Beweis?" knurrte Nell ihn an. "Nein, ich glaube es auch so." grinste er. "Sehr schön, dann kannst du dich ja vom Acker machen." meckerte Nell wieder. "Wenn du verschreckt bist und die Klappe hältst, gefällst du mir besser." entgegnete Emre und wandte sich ab. "Ciao, man sieht sich." rief er über die Schulter. "Hoffentlich nie wieder." ergänzte Nell vor sich hin murmelnd. Kurze Stille entstand, in der wir erleichtert ausatmeten. "Kommt ihr dann auch?" drängte Nell uns schließlich und wandte sich auch schon ab. "Nell, jetzt warte doch mal." meldete sich Marco zu Wort und hastete ihr hinterher. Leo und Mo wollten schon deren Verfolgung aufnehmen, aber ich hielt sie zurück. "Lasst ihn das alleine machen."

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt