Verluste

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Tina hätte das nicht gewollt, doch genau da lag das Problem. Sie war diejenige, die mich abhielt so etwas zu tun, doch nun stand ich da, allein. Und das vielleicht für immer. Aber wie sollte ich das hinkriegen, wenn es wirklich so weit kommen würde?
Nach einer kurzen Weile, fühlte ich, wie ich langsam wieder Kontrolle über meinen eigenen Körper übernahm.

Was ist, wenn das jemand gehört hatte und schon auf dem Weg zu mir war?
So schnell wie ich konnte, hetzte ich hinaus und stieß gegen ein junge Frau. Es war Tina's ältere Schwester. Nachdem ich ihr kurz in die Augen geblickt hatte, merkte ich wie es ihr die Sprache verschlug. Ich war schuld, nur ich allein. Ich schämte mich in Grund und Boden für das was geschehen war.
Ich schluckte und bekam ein kurzes, schüchternes "Hey" heraus. Sie nickte und man sah den Schmerz in ihren Augen. Innerlich gab sie mir die Schuld, dass wusste ich. "Wie geht's dir?", fragte sie mich. "Naja eigentlich ganz okay." Sie nickte und ich suchte verzweifelt nach irgendeinem Gesprächsthema. Irgendetwas um die Konversation fortzusetzen. Eigentlich wollte ich auch gar nichts dazu sagen, doch ich hatte eine Ader dazu immer zum falschen Zeitpunkt, das falsche Thema anzusprechen. "Es tut mir leid das mit deiner Schwester." "Es ist nicht deine Schuld, Laura." "Doch...", nickte ich.

Und wieder wurde mein Körper schwach, und die Schuldgefühle zu stark. Alles um mich herum begann wieder unscharf zu werden und ich dachte, dass ich jede Sekunde wieder die Kontrolle verlieren könnte, also ergriff ich wortlos die Flucht. Ich lief so weit mich meine Beine tragen konnten. Draußen, vor dem Haupteingang, war ich am Ende meiner Kräfte. Normalerweise müsste ich selbst im Bett liegen und mich schonen, doch der Gedanke, das die Liebe meines Lebens ein paar Zimmer weiter lag und um ihr Leben kämpfte, trieb mich in den Wahnsinn. Ich hätte ihr so gerne geholfen. Doch außer für sie dazu zu sein, konnte ich nichts mehr für sie tun. Es war ihr Kampf, der über unser Glück entschied. Doch egal was auch geschehen mag, wir würden das zusammen durchstehen.

Es war bereits dunkel geworden. Ich saß unter einer Überdachung und hörte dem Regen zu, der ununterbrochen vom Himmel fiel, während ich dabei an uns dachte. Es war wie ein Tagebuch, dass ich in meinem Kopf durchblätterte. Kurz vor zehn, es wurde etwas kühl und so fand ich meinen Weg wieder nach drinnen. Besuchszeit war bereits vorbei, deshalb dürfte jetzt niemand in ihrem Zimmer sein. Auch wenn es mir nicht erlaubt war, brachte mich nichts davon ab, meine Nacht bei Tina zu verbringen.

Leise schob ich die Tür auf und schlich mich zu ihr. Auf dem Stuhl neben ihrem Bett, ließ ich mich nieder und griff nach ihrer Hand. "Hör zu, ich verstehe, wenn du mir hier für die Schuld gibst. Und ich verstehe auch, wenn du mich nicht mehr so sehr lieben kannst, wie du es getan hast. Ich habe dein Leben zerstört. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt. Also bitte hör mir zu, wenn du aufwachst, werde ich versuchen alles wieder gut zu machen. Aber bitte Tina, bitte wach auf. Ich brauche dich. Ich liebe dich so unglaublich sehr. Wenn dir etwas passieren würde, wüsste ich nicht was die Welt hier noch wert wäre. Ich kann nicht ohne dich."

Sanft küsste ich ihre Hand und legte meinen Kopf auf ihren Oberkörper. "Du weißt hoffentlich, dass ich niemanden so sehr liebe wie dich. Seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass du etwas besonderes bist. Wie du mich anschaust und dabei deine Augenbrauen hochziehst, macht mich immer wieder verrückt. Kämpfe für uns, Tina. Bitte.", fuhr ich fort und schloss die Augen. "Soweit ich weiß, sollten sie in ihrem eigenen Bett sein, Miss Sandford.", sagte niemand eher, als die für mich zuständige Ärztin. Sofort richtete ich mich wieder auf. "Können Sie nicht eine Ausnahme machen..?" "Ruhen Sie sich aus. Tina schafft das schon. Morgen kommen sie wieder.", lächelte sie. Noch immer ließ ich Ihre Hand nicht los. "Ich liebe dich.", flüsterte ich ihr zu, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und versuchte meine Augen zu schließen, in meinem Bett.

Heute schlief ich länger als gewöhnlich. Wach wurde ich durch eine Krankenschwester, die mir Blut abnehmen wollte, zum tausendsten Male. "Morgen Miss Sandford." Guten Morgen.", gähnte ich und ließ den üblichen Vorgang über mich ergehen.
Als ich fertig war, zog ich mir meine Jogginghose über und machte mich auf den Weg, um mir ein Wasser zu holen. Und wie der Zufall es wollte, kamen mir einige aufgebrachte Ärzte entgegen.
"Sie ist vor etwa 20 Minuten aufgewacht...", hörte ich einen etwas älteren Arzt sagen. Wer war sie? Tina?

Ohne auch nur einen Moment länger zu warten lief ich zu ihrem Zimmer. Ich konnte nicht glauben, was meine Augen gerade sahen. Voller Freude und Erleichterung stand ich vor ihr und griff nach ihrer Hand, als sie diese erschrocken weg zog. "Tina, ich verstehe wenn du sauer bist.." "Woher kennen Sie meinen Namen?" "Wie bitte?", fragte ich verwundert. "Tina es tut mir wirklich leid. Ich wollte doch nur einen schönen Abend mit dir verbringen, aber..." "Miss Sandford.", unterbrach mich die Ärztin. Verwundert drehte ich mich um. "Hören Sie auf damit.", forderte sie mich auf. "Wer ist dieses Mädchen?", fragte Tina und schaute mich mit großen Augen an. Die Tränen schossen mir in die Augen, als ich begriff, was hier gerade geschah. "Tina, kann sich nicht mehr an sie erinnern, Miss Sandford." "Wir kennen uns also?", fragte Tina erneut. "Nein.", drehte ich mich um. "Tun wir nicht."

Und mit diesem Satz brach ich mir selbst das Herz. Es ließ meine perfekte Welt zerschmettern. Das Mädchen, das ich mehr als alles andere auf der Welt liebte, kannte mich nicht mehr..

Secretly in Love ( GirlxGirl )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt