Das Ende

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Im Garten musste ich mich zum zweiten Mal übergeben. Harris lief ins Haus meiner Großmutter, um die Polizei zu rufen. Ich zitterte immer noch am ganzen Körper und hoffte, dass Harris meine Großmutter nicht aufwecken und ihr erzählen würde, dass im Haus unseres Nachbars vier Leichen lagen.

Da musste ich wieder an das schreckliche Bild im Tanzsaal denken. Augenblickblich wurde mir noch einmal übel. Schließlich kam Harris wieder und setzte sich neben mich, auf die Veranda des Puppenhauses. Er zündete sich eine Zigarette an und reichte sie mir, nachdem er daran gezogen hatte. Stillschweigend teilten wir die Zigarette und warteten auf die Polizei.

,,Da gibt es noch eine Sache, die du wissen solltest", sagte er zögerlich und nahm einen tiefen Zug. Ich runzelte die Stirn und fragte: ,,Was sollte das sein?"

,,Es betrifft ... oder betraf Amber", entgegnete er und seine Stimme brach sich. Ich mochte ihn nicht besonders, aber ich konnte mir vorstellen, durch was für Qualen er gerade ging. Amber lag tot in ihrem Haus. Daran hatte ich keinen Zweifel, schließlich hatte ich sie erkannt und er sie auch. Das Bild von den vier Leichen hatte sich tief in mein Hirn eingebrannt und ich war mir ziemlich sicher, dass ich es nie wieder los werden würde.

,,Sie war von mir schwanger."

Zehn Minuten später traf der Sheriff von Clearwater Springs, Francis Reynolds, ein. Er fand Harris mit einem blauen Auge vor. Ich hatte ihn reflexartig geschlagen, als ich gehört hatte, dass er ein sechzehnjähriges Mädchen geschwängert. Ein Mädchen, welches nun tot war.

Sheriff Reynolds war ein großer, kräftiger Mann mit dunklen Augen und dunkler Haut. Er war Ende Vierzig, immer ruhig und lässig. Ich mochte ihn sehr. Er hatte einen mittelalten Mann mit wenigem, grauen Haar und einer großen Brille und ein hübsches Mädchen in meinem Alter dabei.

Das Mädchen war schlank und sehr groß. Sie war fast zwei Köpfe größer, als ich. Ihr Haar und ihre Augen waren kastanienbraun und das Lächeln, welches sie mir kurz zuwarf, war das wärmste und liebevollste Lächeln, welches ich je gesehen hatte. Fasziniert betrachtete ich sie und vergaß beinahe, warum der Sheriff überhaupt hier war. Eigentlich glaubte ich nicht an Liebe auf dem ersten Blick, aber in diesem Moment schien alles so glasklar.

,,Was ist mit seinem Auge passiert, Thedore?", fragte Reynolds mich skeptisch, riss mich damit aus meinen Gedanken, und sah prüfend zu Harris. Er kannte mich schon aus meiner Jugend.

Außerdem war er mal mit meiner Mum zusammengewesen, jedenfalls für kurze Zeit. Ich mochte ihn, wie gesagt, aber es war immer etwas komisch, wenn ich ihm über den Weg lief. Schließlich wusste ich, wie er beim Sex klang. Harris hielt sich sein Auge und meinte gequält: ,,Es ist nichts, Sir. Ich habe es verdient."

Reynolds hob eine Augenbraue und entgegnete: ,,Wir werden uns später darum kümmern. Das hier sind übrigens Doktor Stephen Bellamy und seine Nichte Elouise."

Doktor Bellamy nickte uns beiden nur kurz zu. Er schien eher wortkarg zu sein. Seine Nichte schüttelte Harris und mir die Hand und erzählte: ,,Ich studiere Medizin und begleite meinen Onkel öfters. Schließlich möchte ich auch die Praxis kennenlernen."

Ich nickte verständnisvoll und betrachtete sie interessiert. Gerne hätte ich sie mehr gefragt, aber Reynolds bat uns, mit ins Haus zu kommen. Eigentlich wollte ich nicht wieder darein, aber mir wurde klar, dass ich keine andere Wahl hatte. Langsam folgte ich Reynolds, Doktor Bellamy, Elouise und Harris.

Doch dann wurde ich auserkoren, wieder durch das Kellerfenster zu klettern, da ich der Kleinste war. Erst wollte ich protestieren, aber dann ließ ich es. Es hatte doch eh keinen Sinn.

Also quetschte ich mich wieder durch das enge Fenster, lief nach oben und öffnete die Tür von innen. Reynolds verschwendete keine Zeit und lief mit uns sofort in den Tanzsaal, wo immer noch die gruselige Kirchenmusik spielte.

Dollhouse| true crime Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt