Geheimnisse

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Ich ließ mein Feuerzeug fallen. Sie kniete sich hin, hob es auf und kam wieder nach oben. Kurz schoss es mir durch den Kopf, wie es wäre, jetzt hinter ihr zu stehen und hasste mich für diesen Gedanken.

,,Vielen Dank", stammelte ich, noch immer ganz überwältigt von ihrer Erscheinung. Mrs Abernathy trug einen dicken Pelzmantel und hohe Stiefel. Unter einer dunklen Baskenmütze quollen ihre blonden Locken hervor. Ihre Lippen waren rotgeschminkt und ihre Wangen von der Kälte gerötet. Sie hielt einen großen Koffer in der Hand. Ich hatte Mrs Abernahty schon seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. War sie etwa alleine verreist und kam sie nun gerade erst wieder?

Monique Abernathy steckte sich ebenfalls eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie mit meinem Feuerzeug an. Danach hielt sie mir fragend die Flamme vors Gesicht. Ich senkte die Zigarettenspitze auf die Flamme hinab und nahm einen tiefen Zug. Mrs Abernathy hielt die Zigarette aufrecht und elegant in ihren dünnen Fingern. Ich beobachtete sie, während wir rauchten und darauf warteten, dass der spanischsprechende Mann sein Telefonat beendete. ,,Was machst du hier?", fragte sie mich schließlich.

Ich sah sie überrascht an, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich überhaupt erkannte. ,,Sie kennen mich?"

Die Frau lächelte und nickte. ,,Aber natürlich. Du bist der Nachbarsjunge mit der blinden Großmutter. Ich sehe dich immer, wie du den Garten machst oder wenn du den Müll rausbringst. Hin und wieder schaust du in das Fenster meines Schlafzimmers, nicht wahr?"

Das Blut schoss mir in das Gesicht. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie es wusste. Ein triumpfierendes Lächeln erschien auf den rotgeschminkten Lippen.

,,Ich bin kein Voyeur, Ma'am. Das müssen Sie mir glauben."

,,Das glaube ich dir auf's Wort", entgegnete sie lächelnd und zog an ihrer Zigarette. ,,Du hast dich nicht gerade geschickt ansgestellt. Thedore, richtig?"

,,Ja. Aber Sie können mich ruhig Teddy nennen", meinte ich und grinste sie schüchtern an.

,,Teddy", meinte sie. ,,Das gefällt mir. Ich heiße Monique Abernathy. Aber Monique reicht mir vollkommen."

,,Ich weiß, wie Sie heißen", erwiderte ich und wusste nicht einmal, warum ich das gesagt habe.

Sie hob immer noch lächelnd eine Augenbraue in die Höhe. ,,Ach, ja?", fragte sie und strich sich durch das blonde Haar. ,,Ich glaube, du weißt ziemlich viel über mich. Nicht wahr, Teddy?"

Ich zog an meiner Zigarette und antwortete: ,,Lange noch nicht alles, Mrs Abernathy."

,,Das kann man ändern", sagte sie lächelnd.

Wenig später saß ich in einer Bar im Nachbarort. Ich hatte schon einmal davon gehört, aber war noch nie hier gewesen. Es war schlicht und einfach zu teuer. Als ich die Bar mit Monique betreten hatte, war ich nicht einmal nach meinem Ausweis gefragt worden. Sie schien hier bekannt zu sein. Wir setzten uns in eine ruhige, dunkle Ecke. Monique bestellte mir Bier und sich selbst Rotwein.

Das Telefonat mit meiner Schwester Tiffany, welches ich eigentlich in der Telefonzelle hatte führen wollen, hatte ich schon längst vergessen. Monique hatte sich ihren Pelz ausgezogen. Darunter trug sie eine geblümte Bluse und einen kurzen Rock aus hellem Stoff.

Sie zündete sich eine weitere Zigarette an, fuhr sich durch das blonde Haar und fragte: ,,Also was hast du da vorhin gemacht?"

,,Ich wollte eigentlich nur meine Schwester anrufen", entgegnete ich und nippte an meinem Bier. ,,Ihr Name ist Tiffany. Sie ist drei Jahre älter und lebt mit ihrem Ehemann in Florida. Die beiden haben geheiratet, während ich in Vietnam war."

Dollhouse| true crime Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt