Teil 1 | Ein gewöhnlicher Sonntag

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Ich wachte auf, noch bevor meine Mutter mich zum Frühstück rufen konnte. Den Speck, den sie in der Pfanne angebraten hatte, konnte ich bis in mein Zimmer riechen. Ein fettiger, alles überdeckender Duft, der mir das Wasser bereits im Mund zusammen laufen ließ. Ich vernahm die markante Stimme meines Vaters, der sich über die Moderatorin im Radio eschauffierte. Es schien ein ganz normaler Sonntagmorgen zu sein. Wäre da nicht dieses seltsame Jucken, das von meiner Wange ausging.

Es fühlte sich beinahe so an, als hätte sich ein Flo unter meiner Haut festgesetzt, der mit aller Kraft versuchte, aus seinem weichen, fleischigen Gefängnis zu entkommen. Ich führte meinen Zeigefinger an die Stelle, doch ich konnte nichts Außergewöhnliches an meiner Hautbeschaffenheit feststellen. Vielleicht war ich im Begriff, Pickel zu bekommen? Das war in meinem Alter nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil, es war sogar völlig normal, dass der Körper während der Pubertät Pickel produzierte. Zumindest hatte Frau Maurer uns dies im Sexualkundeunterricht erklärt.

In meiner Klasse gab es viele Mädchen aber auch Jungs, die von diesen unschönen Begleitern nahezu übersät waren. Dennoch ließ sie diese Tatsache nicht hässlicher erscheinen. Mir wuchsen Pickel im Gesicht. Kein Grund zur Panik. Da musste schließlich jeder irgendwann durch.

Ich schlug die Bettdecke zurück und schlüpfte in meine Hausschuhe, die ich mir zum 13. Geburtstag gewünscht hatte. Bevor ich in die Küche zu meinen Eltern ging, warf ich noch einmal einen prüfenden Blick in den großen prunkvollen Spiegel, der dem Flur schon seit Jahren eine ganz besondere Ausstrahlung verlieh.

Die gute Nachricht war, dass mein Haar nicht ganz so fettig aussah, wie normalerweise, nachdem ich einen langen Schlaf hinter mir hatte. Die Zöpfe, die ich mir vor dem Schlafengehen geflochten hatte, waren auch kaum beschädigt worden, obwohl ich mich in der Nacht mehrmals hin und her gewälzt hatte. Die schlechte Nachricht war, dass es sich scheinbar doch nicht um Pickel handelte, die da in meinem Gesicht heranwuchsen. Bei näherem Hinsehen konnte ich kleine, schwarze Punkte erkennen.

Mitesser.

Von meiner Freundin Sabrina wusste ich, dass man diese Hautunreinheiten noch schwerer wieder loswurde, als einen einfachen Pickel. Na klasse.

Resigniert machte ich mich auf den Weg in die Küche, wo meine Eltern bereits am gedeckten Tisch auf mich warteten.
"Guten Morgen, Annelie", sagte meine Mutter mit einem gut gelaunten Lächeln im Gesicht. Mein Vater nickte nur zustimmend, vermutlich weil er sich mit dem Essen nicht hatte zurückhalten können.
"Morgen", antwortete ich noch leicht müde.

Der gebratene Speck sah wirklich gut aus. Ich schnappte mir ein Weißbrot, platzierte drei Streifen Speck darauf und nahm mir eines der Spiegeleier, die bei einem typischen Sonntagsfrühstück im Hause Meißner nicht fehlen durften. Das Essen sah wirklich lecker aus und ich hatte auch ziemlichen Hunger mitgebracht, doch etwas hinderte mich daran, das
Weißbrot zu genießen.

Die Mitesser.

Die Stelle in meinem Gesicht, auf der sich die verstopften Poren befanden, juckte nun nicht mehr. Sie schmerzte.

Jedes Mal, wenn ich meinen Mund öffnete, durchzog ein unsagbarer Schmerz mein Gesicht. Dieser Schmerz hinderte mich am Essen. Das entging natürlich auch meinen aufmerksamen Eltern nicht.

"Na sowas? Bist du etwa schon satt, Kind?" Meine Mutter schaute mich mit besorgtem Gesichtsausdruck an.
"Ich hab keinen Hunger", sagte ich, ohne es wirklich zu meinen.

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Schmerzen normal waren. Sabrina hatte jedenfalls niemals auch nur ein Wort darüber verloren, dass Hautunreinheiten solche Schmerzen verursachten. Vielleicht wollte sie auch einfach nicht, dass man es ihr ansah? Das beste wäre, wenn ich sie einfach nach ihrer Meinung fragen würde.

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