Sue, meine Hoffnung :22

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Mittlerweile waren einige Monate wieder vergangen und 2011 hatte gestartet. Weihnachten verlief relativ harmlos und einfach. So wie bei jedem anderen eben auch...
Am Morgen traf ich mich mit Sue und wir redeten. Sue war zwar keine Therapeutin, doch sie benahm sich so. Natürlich hatte sie meiner Mutter alles erzählt. Oder besser gesagt hatte sie mich mehr oder weniger dazu gedrängt, dass ich es ihr sagte.
Dass ich abnehmen , mich runterhungern und umbringen wollte, dass ich mich selbst fertig gemacht habe ...
Ich sah es ja ein. Ich hatte den falschen Weg eingeschlagen und ich wollte dort auch wieder heraus kommen, doch ich konnte nicht. Nicht vollständig. Es war ein Zwang, ganz tief in mir. Auf der einen Seite wollte ich wieder zunehmen, etwas mehr "echte Figur" bekommen, doch auf der anderen Seite: Was würde passieren, wenn ich zunehme? Wenn ich dicker werde und hässlich? Wenn mich alle betrachten und mich dann auslachen? Und das nur, weil ich es nicht geschafft hatte mein Ziel zu erreichen, nicht stark genug war und alle mich als fett bezeichnen würden.
Sue "therapierte" mich trotzdem weiterhin. Sie wusste, dass ich mit diesen Gedanken spielte und sie machte sich nichts daraus, denn sie glaubte an mich denn sie war, wie ich erneut feststellen musste, eine echt perfekte Freundin.
Auch an Weihnachten saß sie mit an unserem Tisch, jedoch nicht alleine, da wir zusammen feierten, also mit Sues Familie. Wir aßen und sangen ausgelassen, um dann die Geschenke auszupacken. Tradition ist und bleibt eine Tradition!
Seit langem erlebten wir einen wunderschönen Tag. Es drehte sich NICHT alles um essen, abnehmen, dick sein, und meine sonstigen Gedanken. Ausnahmsweise. Und vieles davon hatte ich Sue zu verdanken. Sie zeigte mir zu leben. Sie brachte mir wieder ein Lächeln auf's Gesicht und ließ mich so manche Gedanken vergessen als wären sie einfach verschwunden.
Auch die darauf folgenden Tage verliefen wunderschön und ohne die Gedanken, die ich sonst immer hatte.

In den letzten Monaten hatte Sue es tatsächlich geschafft mich wieder herauszubringen aus dem ganzen. Oder zumindest soweit wie es eben ging. Mein Leben hatte wieder einen Sinn. Einen echten. Nicht den, perfekt sein zu wollen, sondern einfach das Leben zu genießen und Spaß daran zu haben. Spaß daran jung zu sein, sich zu verabreden und ja, sogar Spaß am Zubereiten und Essen.
Noch vor einem Jahr durchging ich die schlimmste Zeit meines Lebens, so betrachtete ich sie jedenfalls im Nachhinein, und jetzt, ein Jahr nach dem Anfang von allem, nur zwei, drei Monate nach meinem Selbstmordversuch, hatte Sue es tatsächlich geschafft mir mein Leben wieder zugeben und mir den Anfang der schönsten Zeit meines Lebens vor die Füße zu legen.
Ich genoss jeden Tag. Wir machten zusammen Sport, übernachteten fast jedes Wochenende und machten jedes mal einen Mädelsabend, jedoch ohne Chips und Schokolade oder ähnliches - dafür war ich noch nicht bereit. Wir gingen in die ein oder anderen Cafés und genossen unsere gewählten Getränke, die meistens auf eine heiße Zitrone sogar mit Honig hinausliefen. Endlich konnte ich mein jugendliches Leben richtig genießen und tat auch alles was das "Teenagerherz" begehrte.
Alles verlief nahe zu perfekt!
Sue und ich waren bessere Freundinnen denn je, ich nahm zu und lebte einfach mein Leben.
Und dann hatte ich Geburtstag, aß ohne allzu viele plagende Gedanken, wurde (endlich) 15, feierte mein "neu begonnenes" Leben mit all meinen wiedergefundenen Freunden und ... verlor mich erneut.
Dabei war doch gerade alles wieder so wie vorher ... und so sollte es eigentlich auch bleiben!

Destroyed girlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt