Part 6

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Viktorias POV:

Nachdem Jacqueline mein Gemach verlassen hatte, legte ich mich wieder zu Bett, schlief allerdings erst spät in der Nacht ein.

»Aufwachen«, weckte mich eine sanfte Stimme. Müde öffnete ich meine Augen und sah zu der älteren Dame. »Harold erwartet dich bereits. Er ist unten im Speisesaal.« Allein bei seinem Namen riss ich die Augen auf. Was wollte er von mir? Was hatte er mit mir vor? Ich schlug die Decke bei Seite und stellte mich vor den Spiegel. »Hier.« Jacqueline hielt mir ein Kleid entgegen. Den feinen Stoff bemerkte ich sofort. Und so ein teures Kleid sollte mein Dienstkleid werden? Das konnte ich nicht glauben. Jacqueline verabschiedete sich, man sah, dass ihr ihr Rücken noch Schmerzen verursachte. Ich entledigte mich meines Nachtgewandes und stieg in das Kleid mit dem feinen Stoff. Danach flocht ich meine langen Haare zu einem Zopf und ließ ihn über meine Schulter hängen. Immer noch hingen meine Haare bis zu meinem Bauchnabel. Mit klopfendem Herzen ging ich hinunter zu Harold. Am Speisesaal klopfte ich einmal kurz an die Tür und trat dann ein. »Ihr wolltet mich sprechen?« Meine Knie schlotterten vor Angst. Immer wieder die gleichen Fragen. Was hatte er mit mir vor? Was wollte er von mir? Er sah von seinem Teller auf und deutete mir, Platz zu nehmen. Meine zitternden Hände verschränkte ich in meinem Schoß und sah darauf. »Heute werdet Ihr mit Eurer Arbeit anfangen. Jacqueline wird Euch zu Anfang mein Schloss zeigen.« Kaum merklich nickte ich. »Nun geht.« Das war alles? Er hatte sich mir nicht aufgedrängt. Meine schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten. Er hatte mich in Ruhe gelassen, was ich ehrlich gesagt nicht von ihm erwartet hätte. Ich hatte mir das Schlimmste ausgemalt. Und nichts davon war eingetroffen. Schnell stand ich auf, wobei der Stuhl fast umgekippt wäre. Hinter mir viel die Tür mit einem lauten Krachen zu und ich machte mich auf den Weg zu Jacqueline. Ich fand sie schließlich in der Küche, wie sie sich an die Dielen lehnte. Schweiß stand ihr auf der Stirn und sie sah blass aus. »Ist alles in Ordnung«, fragte ich sie. »Mir ist nur etwas schwindelig und mein Rücken schmerzt. Das wird schon wieder.« Sie schien zuversichtlich zu sein, doch ich erkannte deutlich den quälenden Schmerz in ihren Augen. »Wir müssen die Fenster im ersten Geschoss reinigen. Komm mit«, erklärte sie und wollte einen Eimer gefüllt mit Wasser heben, verzog allerdings schon alleine bei dem Versuch das Gesicht vor Schmerz. Ohne ein Wort zu sagen nahm ich den Henkel und lief ihr hinterher die Treppe hinauf. »Diesen Trakt kennst du ja schon. Hier ist dein Zimmer und das Zimmer des Meisters untergebracht.« Seit wann nannte sie ihn Meister in meiner Anwesenheit? Normalerweise sagte sie immer Harold. Wir begannen die Fenster zu säubern. Jacqueline kam nur langsam mit ihrer Arbeit voran. Schweiß lief an ihrer Schläfe herunter und ihr Gesicht war verzerrt. Ich ging zu ihr und nahm ihr das Putztuch aus der Hand. »Leg dich hin. Ich übernehme deine Arbeit. Wenn ich fertig bin werde ich mich um deinen Verband kümmern.« Sie schüttelte abwehrend den Kopf. »Nein, nein, ich schaffe das schon. Es ist alles in Ordnung.« Ihre Worte konnten mich nicht überzeugen. Ich ergriff die Initiative und nahm ihr das Putztuch aus der Hand. »Du gehst jetzt in dein Zimmer und ruhst dich aus. Deinen Schmerz kann man ja schon fast greifen.« Mit einem Schnauben gab sie sich geschlagen und lief den Gang hinunter zu ihrem Zimmer. Ich putzte die Fenster fertig und dachte nach. Wie würde ich hier wieder rauskommen? Herauskommen, ohne das Harold mir etwas angetan hatte. In der Nacht könnte ich fliehen, aber er würde mich einholen und selbst wenn ich es zurück zu meinem Dorf schaffen würde, konnte er immer noch nachts kommen und mich wieder verschleppen, und wer weiß, was er dann mit mir macht. Aber wenn ich bleibe, würde er es mir so oder so antun. Wie kann er das von mir verlangen? Ich bin doch keine Hure! Ich war immer anständig, habe mich nicht mit den Jungs im Dorf eingelassen. Ich war nicht bereit mir von ihm meine Unschuld nehmen zu lassen. Immer noch in meinen Gedanken versunken schmiss ich das Putztuch in den Eimer und machte mich auf den Weg in die Küche. Den Lappen legte ich in den Spülstein und schleppte den schweren Wassereimer bis zu einer Tür, von der man von der Küche aus in einen kleinen Hinterhof kam, wo ich das Wasser ins Gebüsch schüttete. »Ihr hattet doch nicht vor, schon wieder wegzulaufen.« Geschockt drehte ich mich um und sah den Vampir im Türrahmen. Schnell schüttelte ich den Kopf. »Ich habe nur das Wasser weggeschüttet.« Meine Stimme war selbstbewusster als ich angenommen hatte. »Soso.« Langsam kam er auf mich zu. »Warum ist Jacqueline nicht bei Euch?« Er stand jetzt genau vor mir. Ich wagte es nicht aufzuschauen. Ich spürte seine Hände an meiner Hüfte. Mein Herz klopfte schneller. Was würde er mit mir machen? Ich musste ihn irgendwie von mir wegbekommen, aber wie? »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich und sah zu ihm hoch. Er hatte stechend grüne Augen. Schöne Augen, dass musste man zugeben. Allerdings ändernden sie nichts daran, dass er ein Monster war. Ein seelenloses Monster. Seinem Blick konnte ich nicht standhalten und sah auf meine Hände. Seine kalten Finger hatten sich noch immer nicht von meiner Hüfte gelöst. Langsam beugte er sich zu mir hinunter. »Es gibt nur eines, was ich von Euch will«, raunte er und seine Lippen streiften meinen Hals, wo er einen tiefen Atemzug tat. Mein Herz blieb stehen. Hatte er mich auch zu sich geholt, weil ich als ein lebender Blutsack dienen sollte? Ich trat einen Schritt nach hinten, womit er sich von mir löste. Ich trat an ihm vorbei, wurde allerdings am Arm festgehalten. Nicht grob, aber mit einer Stärke, wo ich sofort wusste, dass er um einiges Stärker war als ich. »Wo wollt Ihr denn schon hin?«, fragte er mit einem amüsanten Lächeln. »I-ich...« Ich stockte als er meinen Arm losließ, allerdings trotzdem vor mich trat. »Wenn Ihr denkt, dass Ihr mir entkommen könnte«, seine Hand strich sacht über meine Wange, »dann lasst mich Euch sagen, dass ich Euch noch bekommen werde.« Bei seinem nächsten Satz stockte mir der Atem. »Ihr seid Mein.«

Dark LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt