Brief 5

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Man weint, obwohl man wusste, das es passiert.

Man weint, obwohl man wusste, das es passiert

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Aliyah,
das ist nun der letzte Brief. Schon komisch, wenn es der Erste ist, den ich schreiben werde.

In diesem Brief werde ich Abschied nehmen. Von einer Welt, der ich nicht gut genug war.

Als erstes nehme ich Abschied von meiner Mutter. Ich habe dich nie kennengelernt, aber ich liebe dich aus ganzem Herzen. Ich bewundere dich dafür, dass du immer mit Stolz deine Hautfarbe getragen hast, weil ich es nicht konnte. Weil ich zu schwach war. Aber du, du hast es geschafft, und dafür bist du meine größte Heldin.

Als nächstes kommt die Bäckersfrau dran. Du hast mir mit deinem Rosenduft immer ein Gefühl von Geborgenheit gegeben. Du hast dich immer um mich gekümmert, mir geholfen. Du hast mich von den Hass der Dorfbewohner abgelenkt. Du warst lange meine einzige Bezugsperson. Du hast mich geliebt. Und ich liebe dich, immer noch, obwohl du eines Nachts eingeschlafen bist und nie mehr aufgewacht. Wegen dir habe ich die Güte des Waldes entdeckt.
Ich hoffe, dir geht es da oben im Himmel gut.

Hier danke ich meinem Orangenjungen, nur noch eine Illusion meiner unrealistischen Traumwelt. Du warst immer mein bester Freund. Du hast mich zum Lachen gebracht, wenn ich es brauchte. Du warst immer für mich da. Wir waren eins zusammen. Bis wir zerbrachen, in zwei Hälften. Dein Kuss zerstörte uns, und die Jungs zerstörten dich. Ich weiß nicht wie du jetzt bist, aber... Ich vermisse dich. Ich vermisse dein altes Ich.

Nun danke ich endlich dir, Aliyah. Ich vertraue dir immer noch, von allen am meisten. Du hast mich fühlen lassen, was die süße Liebe bedeutet. Dein Lachen ist immer noch mein Lieblingslied. Gott, es tut mir jetzt schon so leid. Deine Stimme war die Melodie meines letzten Sommers. Deine Küsse waren wie zuckersüße Eclairs, die auf der Zunge zergehen. Ich liebe dich, vergiss das bitte nie...

Ich danke dem Wald, der mich aufgefangen hat und mich in seine federnden Arme gebettet hat. Du warst nach dem Tod meiner Bäckersfrau für mich da. Du schenktest mir ein Zuhause. Du hast mir nie etwas vorgemacht. Mein Herz schmerzt, wenn ich an die Holzfäller denke, am anderen Ende des Waldes. Ich höre, wie sie den Bäumen weh tun und sie mit blutigem Stamm zurücklassen. Ich höre, wie die Vögel laut kreischend auffliegen. Ihnen wird gerade ein Zuhause gestohlen. Und mir auch.

Der Himmel wird immer dunkler, von den Massen an Vögeln, die ihre Nester verloren haben. Sie formatieren sich und fliehen über das Dorf hinweg, in den Süden, der hoffentlich wärmer ist als die kalten Bewohner.

Ich danke euch Vögeln mit euren Warnschreien. Ihr habt mir das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein, einen Freund zu haben. Ihr habt eine wunderschöne Melodie des Waldes erschaffen.

Des Waldes, der bald nicht mehr existieren wird. Ich höre ihn aufschreien, ich sehe meine Mutter bei meiner Geburt auch schreien, grauenvoll schrill, laut. Sie schrie sich in den Tod, und der Wald tut dies jetzt auch.
Die Schreie schmerzen in meinen Ohren, also schreie ich mit. Den ganzen Hass der Bewohner, der sich in mich eingegraben hat, hinaus. Meine Kehle tut weh, aber das ist mir egal. Ich schreie zusammen mit dem Wald. Endlich bin ich nicht lautlos. Ich bin zu laut.

Ich lasse mich keuchend zurücksinken, an den Stamm. Ich bin kraftlos. Ich werde die anderen Briefe schreiben, aber es nicht mehr schaffen, sie dir vor die Haustür zu legen, Aliyah. Ich werde sie in den Wind werfen, und er wird sie tragen, zu der Person, die das Schicksal erwählt.

Ich bin zu schwach. Ich schluchze auf und beiße mir auf die Lippen.

Ich bin nicht schwach.

Und in diesem Moment ist mein Ich mit dem Entschluss, den mein Herz schon längst gefasst hat, einverstanden.

Ich werde auf dem Baum sitzen bleiben. Ich werde mich an den Stamm drücken, mich mit aller Macht festklammern und die Augen schließen.

Ich werde meinen Freund, den Tod, empfangen.

In Liebe, Mascha

In Liebe, Mascha

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『652 Wörter』

Cleo_and_Sana

In Liebe, MaschaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt