Schweigen ist... :21

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Ich wollte mein Leben wegwerfen. Was hatte ich da nur vor gehabt?
Von der Brücke springen ... einfach so! Einfach so?

Meine Gedanken drehten sich. Ich lag bereits wieder auf meinem Bett und war völlig überfordert - sowohl mit den Gedanken, als auch mit der Situation.

Nachdem ich Sue, Kiki und Mia um den Hals gefallen war, brachten sie mich nach Hause, wo mir meine Mutter um den Hals fiel.
Sie war völlig verweint als ich ankam - wahrscheinlich dachte sie, ich wäre schon längst tot. Aus Schockstarre brachte meine Mutter jedoch kein Wort heraus. Wir beide wollten DIE Sache einfach nur vergessen und lagen uns gegenseitig einige Minuten in den Armen.
Aber das meine Mutter mich so empfangen würde, hätte ich, trotz der letzten Wochen und Monaten nicht gedacht.
Aber es fühlte sich gut an!
Innerlich grinste ich wie ein Honigkuchenpferd. Vielleicht nicht der beste Zeitpunkt dazu, immerhin wollte ich mich vor damals knapp zwei Stunden noch zu den Autos hinunter stürzen...
Mein Weg führte mich wenig später aus den Armen meiner sprachlosen Mutter und in mein Zimmer hinunter.

Sue schien mich schon zu erwarten. Ihr Blick. Ich wusste, es würde nicht ein normaler Abend werden. Vielleicht hatte meine Mutter keinen Redebedarf, doch Sue sah da anders aus...
"Ich hole uns eben noch etwas zu trinken." Sue brachte ein leichtes Lächeln über die Lippen.
Meine innere Stimme hoffte die ganze Zeit nur auf ein Wasserglas, doch mein Herz hoffte irgendwie, dass es etwas anderes sein würde.
Ich wollte nicht dick werden, so dick und fett wie schon viel zu viele auf dieser Welt, so dick wie ich früher war, aber ich wollte zunehmen. Mein Kopf und mein Herz sprachem gegensätzlich und das verwirrte mich - total!

"Hier, ich hab uns zwei Tee gemacht. Und Lacy, jetzt bitte, bitte erzähl mir die GESAMTE Geschichte. Ohne Auslassungen, mit Gedanken! Bitte, es ist besser!"

Sue schaute mich eindringlich an und reichte mir meinen Tee.
Immerhin heiß, dass fördert den Stoffwechsel...

Ich verdrehte die Augen nach meinen Gedanken.

Ich wusste natürlich, dass es nicht gut ist, und auch dass ich Sue am besten alles erzählen sollte, aber es ging nicht. Noch nicht. Ich brauchte Zeit.

***

Einen ganzen Tag später den Sue bei mir geblieben war und nie, aber auch wirklich nie, von meiner Seite gewichen war, war ich bereit zu erzählen. Das Sprichwort besagt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Genau dies hatte ich Monate, eigentlich sogar Jahre getan, sodass es Zeit wurde dem ganzen eine neue Facette zu geben.
Silber ist schweigen, doch Gold ist laut und redbar.

Ich hatte das Gefühl, es wäre zum einen das beste seit langer Zeit, aber auch das schlimmste.

Ich erzählte ihr alles von Anfang an.
Beginnend bei Leo und Ben, hin zu unseren Treffen, die Sonntage mit meinem Vater, den ich mittlerweile wie sonst was vermisste.
Dann über meine Tagebucheinträge und dann letztendlich bis zu den Tagen, an denen meine Mutter nicht da war...

Eingeschlossen in das ganze war natürlich auch der Fakt, dass ich mich schon lange umbringen wollte und dass ich meine Tage nun fast schon ein Jahr nicht mehr hatte.

Beim letzteren gab es dann auch, aus meiner Sicht, erstmals eine Begründung dafür.
Das ganze fiel mir alles andere als leicht zu erzählen. Es war ein Teil von mir. Es war der Teil, bei dem ich bereit war ihn von mir zu lösen und auszulöschen. Doch ich klammerte mich an jeden noch so kleinen Fetzen der mich an diesem Teil hielt. Ich war bereit - aber nur zum Teil!

"Lacy du bist Magersüchtig!"
Sie sagte es einfach. Als wären es nur Worte, als wäre es ein einfacher Fakt, als wäre es unwichtig.

Ich schüttelte den Kopf.
Nein, dass bin ich nicht!

"Doch. Lacy bitte. Du musst mir vertrauen."

Ich schüttelte immer noch den Kopf.

"Nein, bin ich nicht. Mit mir ist alles okay!" Böse funkelte ich sie an. Sie hatte unrecht.

Doch ganz tief in mir drin wusste ich, sie hatte recht. Du bist magersüchtig.
Du weißt es. Du bist fett. UND du bist dürr wie sonst was!

Mein Inneres lachte mich aus. Man kann es Ana nennen, man kann es aber auch lassen. Es ist egal wie mein "zweites Ich" heißt, es zählt nur der Fakt.

Doch ich wollte es nicht glauben.
Ich und magersüchtig? - Niemals!

"Lacy. Hör mir zu." Sie packte mich am Arm und drehte mich so, dass ich ihr ins Gesicht schauen musste. "Du hungerst. Du machst sehr viel Sport. Du trinkst unnormal viel, um weniger Hunger zu haben. Deine Tage bleiben aus. Du bist total dünn. Und hälst dich selbst für dick. Du magst dich nicht. Du willst perfekt sein. Du willst dich kontrol..." "Okayyyy!" Ich schrie ihr ins Gesicht. "Hör auf, bitte. Ich habs verstanden. Ich..." Ich wusste nicht mehr weiter, die Tränen liefen, wie so häufig. Und Sue nahm mich in den Arm. Erst wollte ich sie wegstoßen, doch aus irgendeinem Grund nahm ich ihre Umarmung an und erwiderte sie. Es fühlte sich gut an, es fühlte sich richtig an!

Nach allem was ich ihr angetan hatte, nach dem Bruch unserer Freundschaft, der, wie ich nun wusste, irgendwie doch von MIR ausging, nach meiner Beichte und nach meinen Ausbrüchen und meinem Selbstmordversuch - da wusste ich, dass sie mich doch mochte. Dass sie eine echte Freundin war und ich ihr vertrauen konnte.

Ich wusste, wenn ich ihr vertrauen würde, dann wird alles gut.

Sie würde mir zeigen, welcher der richtige Weg ist. Immerhin war sie die andere Hälfte meines Herzens.

Ein Herz und eine Seele - für immer♥

Destroyed girlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt