6. Kapitel📚

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Am nächsten Morgen erwache ich erst einige Zeit nach der Morgendämmerung. Der Wein hat auch bei mir so seine Wirkung hinterlassen und ich spüre ein leichtes Pochen an den Schläfen.

Erst einmal ausgiebig frühstücken!

Da ich später dran bin als sonst, finde ich den Speisesaal schon ziemlich leer vor und kann in aller Ruhe mein Frühstück zu mir nehmen. Danach geht es meinem Brummschädel bestimmt schon ein wenig besser. Mylan ist nirgends zu sehen. Wahrscheinlich ist er bereits bei der Arbeit. Ich habe mir überlegt, ihm heute einen Besuch in der Bibliothek abzustatten. Dann kann ich mich auch gleich ein wenig mit Lektüre eindecken, um der Langeweile hier in der Burg zu entfliehen. Also mache ich mich, nachdem ich reichlich gegessen habe, auf den Weg zur Bibliothek. Diese liegt nicht im Hauptgebäude, sondern in einem der zahlreichen Nebengebäude.

Auf dem Innenhof herrscht tagsüber reger Betrieb. Ich nicke ein paar bekannten Gesichtern zu und eines davon ruft plötzlich aus der Menge: „Ayla! Schön zu sehen, dass du wieder etwas wohlgenährter bist!"

Alles, was ich sehe, ist ein Grinsen. Natürlich.

Es ist Samyr.

Nicht auch das noch. Meine Kopfschmerzen haben gerade erst etwas nachgelassen.

„Ich hab heute frei und gehe mit ein paar Berufsjägern in den Wald, Wildschweine jagen. Hast du Lust mitzukommen?", lädt er mich überschwänglich ein.

Ich erinnere mich an meine Unterhaltung mit Kyle. Hoffentlich hat er Samyr gegenüber keine Andeutungen gemacht. Und dann schießt mir durch den Kopf, was Kyle zudem noch erwähnt hat...

Hat Samyr etwa wirklich Interesse an mir? Also, so ein Interesse?

Als ich in sein strahlendes Gesicht blicke, tut er mir fast ein wenig leid. Ich will ihn nicht vor den Kopf stoßen.

„Hallo Samyr", sage ich trotz schlechter Stimmung so unwirsch wie möglich. „Hör zu, ich bin gerade auf dem Weg zur Bibliothek, um Mylan zu besuchen. Außerdem habe ich ihm versprochen, mal für eine Weile nicht mehr jagen zu gehen."

Samyr sieht mich verdattert an. „Du hast ihm versprochen, nicht zu jagen? Du? Wie um alles in der Welt hat er dir denn dieses Versprechen abgerungen?"

„Lange Geschichte", seufze ich. „Erzähl ich dir ein anderes Mal. Auf jeden Fall treffe ich mich gleich mit ihm. Also viel Spaß und jag doch ein Schweinchen für mich mit!" Samyr sieht äußerst unzufrieden aus.

„Wenn dein Bruder dich wieder auf die Jagd lässt oder du sonst mal Lust hast, ein bisschen in den Wald zu gehen, gibst du mir aber Bescheid, ja?", fragt er unglücklich.

„Hm, ja, aber freu dich nicht zu sehr, ich weiß nicht, ob Mylan mich je wieder aus der Burg herauslässt." Und damit lasse ich den verdatterten Samyr stehen.

Endlich habe ich das Bibliotheksgebäude erreicht, öffne die alte Holztür, die ein Quietschen von sich gibt, und trete ein. Die Bücherei ist in einer riesigen Säulenhalle mit gewölbter Decke, von der das Rascheln umgeblätterter Buchseiten widerhallt, eingerichtet. Endlose Bücherregale aus uraltem Holz führen vom Bibliothekseingang bis in die hintersten Ecken und stehen so dicht beieinander, dass nicht mehr als zwei Personen aneinander vorbei kommen. Auf beiden Seiten des riesigen Raums sind niedrige Leseecken in die Steinwände eingelassen, in welche man sich mit seiner Lektüre zurückziehen kann. Überall flackert Kerzenlicht und ich wundere mich immer wieder aufs Neue, dass bislang noch niemand eine der Kerzen umgeworfen und damit die Jahrhunderte alte Sammlung wertvoller Bücher in Brand gesteckt hat. Mylan würde denjenigen vermutlich eigenhändig köpfen.

Ayla - Unsterbliche Liebe |abgeschlossen 📓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt