Ich war gerade dabei mir Fast and Furios anzusehen, als ich im Hintergrund hörte, wie zuerst eine Zimmertür aufgemacht und geschlossen wurde und dann ein paar Sekunden später die Haustür ins Schloss fiel. Verdutzt sah ich auf die Uhr. Es war neun Uhr abends, morgen ging das erste Semester los und er ging jetzt noch weg? Ich war zwar nicht die Vernunft in Person, okay das war untertrieben, aber für mich stand im Moment mein Studium im Mittelpunkt. Anscheinend galt nicht das selbe für Tobias, wenn er jetzt noch ausging. Na ja, mir war es egal. Ich kannte ihn sowieso nicht und hatte auch nicht vor das zu ändern.

Früh aufstehen hatte ich noch nie gemocht. Deshalb war ich auch dem entsprechent schlecht gelaunt, als ich über den Campus in Richtung Eingang ging. Mehr wie ein genuscheltes „Morgen" hatten Tobias und ich heute morgen nicht ausgetauscht, bevor ich mir eine Schüssel Cornflakes gegönnt und zur Uni gelaufen war.

Der Eingangsbereich war mehr überfüllt als ich es für möglich gehalten hatte, sodass meine Stimmung noch mehr sank, während ich mich Student für Student vorbei zum Treppenhaus durch schlug. Fluchend quetschte ich mich an einem Pärchen vorbei, das von einer auf die nächste Sekunde beschlossen hatte, mitten im Weg stehen zu bleiben um sich einen Kuss zu geben. Meine Augen wanderten über die zahlreichen Saalnummern, doch irgendwie wollte die richtige für meine erste Vorlesung nicht dabei sein. Genervt kramte ich den Zettel mit meinem Stundenplan aus der Hosentasche, als mit voller Wucht jemand gegen mich stieß. Ich machte mich wütend bereit dem Idioten meine Meinung an den Kopf zu schleudern, als mein Blick auf ein Mädchen fiel, das mich verängstigt anschaute. Sie musste etwa genauso alt wie ich sein, und war sehr hübsch; wenn auch auffallend dünn. Ihr dunkelbraunes Haar fiel glatt in ihr markelloses Gesicht und angesichts der Tatsache, dass es so aussah als würde sie sich hinter den langen Strähnen verstecken, schluckte ich meinen Ärger herunter. Sie sah so eingeschüchtert aus, dass ich selbst Panik bekam.

„Es t-tut mir leid. Ich, ich hab dich nicht gesehen." stotterte sie und sah verlegen zu mir. Obwohl sie mich um einen halben Kopf überragte, schien sie tierische Angst vor mir zu haben. War ich so furchteinflößend? Ich hatte noch nicht einmal etwas gesagt!

„Ist nicht schlimm." sagte ich schnell. Ihr gehetzter Ausdruck verschwand etwas aus ihren Augen, aber sie sah mich noch immer so an, als ob ich ein Zombieartiges Wesen wäre. Ich hätte weiter gehen können, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Vielleicht war es die riesige Angst, die sie hatte, die mich davon abhielt. Ich kannte das Gefühl von Angst nämlich besser als es mir lieb war und deshalb hatte ich irgendwie das Gefühl, dass ich vielleicht doch nicht alleine meinen ersten Tag an der Uni verbringen würde, so wie ich es eigentlich geplant hatte.

„Ist alles okay?" fragte ich sie, nachdem sie immer noch so aussah, als ob sie jeden Moment eine Panik Atakke haben würde.

„Klar." Sie schluckte. „Es sind nur etwas viele Leute, das ist alles." Ihre Stimme glich die einer ängstlichen Maus, die sich ununterbrochen nach einer gefährlichen Katze umsah.

„Geht mir genauso." Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern und lächelte sie an. Sie war mir trotz ihrer Menschen Phurbie, oder was auch immer es sein mochte, sympatisch. Klar, ich kannte sie nicht, aber trotzdem kam sie mir nicht wie ein oberflächlicher Mensch vor, der von einer Person zur nächsten hetzten und am liebsten die ganze Schule als Freund haben wollten.

„Ja?" fragte sie überrascht.

„Ja." ich nickte. „Hast du vielleicht irgendeine Ahnung wie man hier einen Raum findet? Ich glaube ich habe mich echt verirrt."

„Mein Bruder geht auch hier auf das Collage, ich kenne mich aus. Wenn du willst kann ich dir helfen." sagte sie schüchtern und strich sich flüchtig eine Strähne aus ihrem Gesicht.

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