Aus schmutziger Erde geformt

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„Aus schmutziger Erde geformt, 

in Schuld empfangen, zur Strafe geboren - 

der Mensch tut Böses so lange er lebt, 

Schändliches, das sich nicht geziemt, 

Eitles, das nicht nützt, 

und wird zur Nahrung des Feuers, 

zur Speise der Würmer, zu einem Haufen Fäulnis." 

So sprechen die Mächtigen im Namen der Götter. 

Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir. 

Ich, dein Verstand sage dir: Wach endlich auf. 

Religion gedeiht nur auf Angst. 

Ohne Angst gibt es keine Religion. 

Mutige brauchen keine Götter. 

Vertrau mir, deinem göttlichen Verstand.. 

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„Unser Vater, der du bist im Himmel."  

Ich schweige nachdenklich und füge dann ein „... als auch auf Erden" hinzu.

Mein Vater?

Auch dein Vater?

Unser Vater?

Ist er mir noch nah, oder habe ich mich zu weit entfernt? Besitze ich den Mut, mein Antlitz aus dem Staub der Erbsünde zu erheben und zu fragen? Besorgt, grüblerisch und mit staunend offenem Mund sehe ich gottverlassen und noch ziemlich ratlos ins Blaue des endlos weiten und mir ziemlich hoch erscheinenden Himmels. 

Ich hab mal in einem guten Benimm-Buch gelesen, dass Könige, Götter und auch Päpste nicht unaufgefordert angesprochen werden dürfen. Der Volksmund sagt nicht ohne Grund: „Gehe nicht zu deinem Fürscht, wenn du nicht gerufen würscht." Das niedere Volk hat sich zu beugen und auszuharren. Es wird gerufen, wenn es an der Zeit ist.  

Mein Rücken schmerzt. Ist jetzt die Zeit gekommen?  

Zögernd, zuerst stotternd und unklar, dann fester und auch für entfernt Verwandte deutlich vernehmbar, sprudeln die Worte aus meinem Mund: „Vater im Himmel, ich hab da mal 'ne Frage: Gibt es neben mir noch andere Sprösslinge von denen ich noch nichts weiß? Womöglich den heiligen Tick, den göttlichen Trick und den engeligen Track? Bitte sprich mit mir, denn ich bin verzweifelt. Amen und ein Halleluja."

Die Botschaft ist raus und ich schweige.

Die Leitung ist lang und Vati schweigt auch.

Nicht misstrauisch, eher die Stirn besorgt in Falten ziehend, kneife ich die schmerzenden Augen zusammen. Ist es nur die glutheiße Sonne die mich blendet, oder strahlt nun sein göttlicher Glanz etwas mehr auf mich, seinen Sohn und den armseligsten der armseligen Sünder unter den ketzernden Verdammten? Mit leicht tränenden Augen senke ich den umflorten Blick. Ich falte die schweißnassen Hände um sie zu kneten und barmend zu drücken. Meine Knöchel treten wie kleine spitze Hügel aus meinen Handrücken hervor.  

Hat Gott, auch mir einen Platz in der tiefsten Finsternis zugewiesen, vielleicht neben dem heiligen Petrus, oder womöglich neben dem übelgelaunten Paulus? Denkt mein gütiger Vater noch über eine passende Antwort nach?  

Göttliche Antworten wollen gut durchdacht sein - das ist mir bewusst. Mein Alter im Himmel hatte vor zweitausend Jahren, schon einmal wegen unterlassener Hilfeleistung ziemlichen spirituellen Erklärungsnotstandsstress, und wir, seine Kinder und Nachkommen müssen noch heute darunter leiden. 

SODOM (Gespräche mit einem lieben Gott)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt